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Buchcover

Anmerkungen zum Buch Todschick

Dieses Buch ist schon zehn Jahre alt, aber es hat sich nur wenig geändert in der Bekleidungsindustrie – vieles in dem Buch ist noch hochaktuell. Auf diesem Einlegeblatt weise ich darauf hin, wo es inzwischen Entwicklungen gab, und verlinke auf Stellen, wo Sie aktuelle Informationen finden können.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.

Gisela Burckhardt
April 2025

Kapitel 1: Bangladesch

Noch immer ist Bangladesch der zweitgrößte Exporteur von Bekleidung (nach China) und erwirtschaftet rund 80 Prozent der Exporterlöse des Landes.  Das Gebäude- und Brandschutzabkommen (Accord) als Folge von Rana Plaza hat die Sicherheit der Fabriken wesentlich erhöht.  Auch haben inzwischen viele Exportfabriken Umweltsiegel (wie GOTS oder OCS) und es gibt einige „green factories“ (LEED), aber die Arbeitsbedingungen haben sich leider nicht verbessert. Die Digitalisierung und Automatisierung der Fabriken hat stark zugenommen, was zu einer Reduzierung des Frauenanteils auf 58 Prozent geführt hat. Alle diese Entwicklungen geschehen angesichts einer immer gravierender werdenden Klimasituation, die Bangladesch besonders hart trifft mit Überschwemmungen, unter denen wiederum die Arbeiter*innen besonders leiden.

Im August 2024 gab es einen Umsturz in Bangladesch. Zunächst protestierten nur die Studierenden, dann große Bevölkerungsteile, bis die Regierungschefin Sheikh Hasina außer Landes floh. Die Übergangsregierung unter Friedensnobelpreisträger Prof. Muhammad Yunus will Ende 2025/Anfang 2026 Wahlen durchführen. Eindrücke aus Bangladesch von einer Reise Ende 2024 können Sie hier nachlesen. Rund 100 Textilfabriken mussten schließen, darunter BEXIMCO, eines der größten Unternehmen mit 14 Fabriken. Ca. 40.000 Beschäftigte verloren Ende 2024 bis Februar 2025 ihre Arbeit. Der BEXIMCO Besitzer Salman F. Rahman, ehemaliger Berater der geflohenen Premierministerin, wurde wegen illegaler Bereicherung angeklagt und sitzt heute im Gefängnis. Zwar führte der Umsturz zu Arbeitsplatzverlusten, aber die Androhung von US-Präsident Trump mit Zöllen von 37 Prozent auf alle Exporte aus Bangladesch trifft das Land um vieles härter. Als Reaktion bot Prof. Yunus dem US-Präsidenten Anfang April 2025 an, mehr Baumwolle aus den USA einzukaufen, um das Handelsbilanzdefizit auszugleichen. Die Zölle wurden zunächst für drei Monate ausgesetzt, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, die Zollerhöhungen würden aber Bangladeschs Textilindustrie stark treffen. Einige US-Unternehmen haben ihre Einkäufe schon storniert.

Ein Länderprofil zu Bangladesch finden Sie auf der Webseite von FEMNET. Die anderen Aussagen in dem Kapitel, insbesondere die schlechten Arbeitsbedingungen, bestehen weiter fort.

Kapitel 3: Audits

Hier gibt es leider keine Verbesserungen; das Audit-Business setzt sich fort. In diesem Blog von Business Human Rights und im Kapitel zu Unternehmensverantwortung auf dieser FEMNET-Webseite werden die kritischen Argumente nochmals dargelegt, u.a. dass die Fabriken ihre eigenen Prüfer beauftragen und bezahlen.

Kapitel 4: Luxuslabel und Discounterriesen

In diesem Kapitel betrachte ich die Arbeitsbedingungen bei zwölf Fabriken in Bangladesch, in denen teilweise Premium Marken wie Hugo Boss und H&M produzieren lassen, und gehe auf die beiden Unternehmen im Detail ein. Hugo Boss geht es sehr gut, der Umsatz ist 2024 auf 4,3 Mrd. Euro gestiegen, trotz derzeitiger Stagnation in Deutschland. Verbessert haben sich Umsatz und Gewinn, nicht aber die Arbeitsbedingungen bei seinen Zulieferern. Es ist davon auszugehen, dass Hugo Boss weiterhin in gleichen Fabriken wie Discounter oder billige Marken produzieren lassen, die Arbeitsbedingungen sind weiterhin überall gleich schlecht. Seit 2015 spreche ich als Aktionärin auf den Hauptversammlungen von Hugo Boss und weise auf die niedrigen Löhne, Probleme von Audits bei seinen Zulieferern oder geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz hin. 

H&M schneidet im Buch etwas besser ab, doch sticht es vor allem durch Green Washing hervor. Im Buch beschreibe ich die fair living wage Kampagne von H&M, in der das Unternehmen die Zahlung von fairen Löhnen bei seinen Zulieferern verspricht, die bis heute nicht umgesetzt wurde. Der Fashion Checker (2024) stellt fest, dass sowohl H&M als auch Hugo Boss schlecht abschneiden was die Zahlung von existenzsichernden Löhnen betrifft.

Auch die Beschreibung von H&M als schlechter Arbeitgeber in Deutschland ist weiterhin korrekt, wie viele Prozesse nachweisen, wo Beschäftigte ihre Rechte einklagen müssen.

Kapitel 5: Gesetze statt Gerede

Die meisten Veränderungen haben im Bereich der gesetzlichen Regulierung in den letzten zehn Jahren stattgefunden.  Als ich das Buch schrieb, gab es noch keine gesetzlichen Regelungen wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), für das über 100 NGOs sich eingesetzt haben. In den letzten Jahren setzte ich mich als FEMNET-Vertreterin für ein starkes LkSG ein, das auch tatsächlich zum 1.1.2023 in Kraft trat. Auch auf europäischer Ebene wurde 2024 nach langen Verhandlungen ein Lieferkettengesetz (CSDDD) verabschiedet. Mit den Wahlen zum EU-Parlament im Jahr 2024 und den Wahlen der neuen Bundesregierung unter CDU/SPD Führung wurden die rechten Kräfte gestärkt. Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus spricht sich die neue deutsche Regierung von CDU und SPD im Koalitionsvertrag gegen das LkSG aus (das BMZ-Minister Müller von der CSU und Arbeitsminister Heil von der SPD verhandelt hatten) und auf europäischer Ebene will man das CSDDD ebenfalls schwächen. Die Lobbyisten der Industrie setzen sich voll durch, obwohl gerade dieses Buch deutlich zeigt, wie dringend wir eine Kontrolle der Unternehmen benötigen. Besonders ärgerlich ist, dass die von den Unternehmen beklagte Bürokratie von ihnen selbst verursacht wurde, weil sie unnötig lange Fragebögen an alle ihre Zulieferer geschickt haben. Dies verlangt das LkSG aber gar nicht, im Gegenteil, es erwartet, dass die Unternehmen nur da Abhilfe schaffen, wo das Risiko von schwerwiegenden Arbeitsrechts- und Umweltverstößen hoch ist. Inzwischen haben auch einige Unternehmen dies erkannt, wie sie mir vertraulich berichtet haben. Das Gesetz hatte zur Folge, dass sich viele Unternehmen erstmalig damit beschäftigten, woher ihre Produkte kommen und ob sie unter Zwangs- oder Kinderarbeit oder unter geschlechtsspezifischer Gewalt hergestellt wurden. Es war ein großer Erfolg, dass das LkSG und CSDDD verabschiedet wurden, wenn auch die praktische Umsetzung oft hapert. Unsere Erfahrung mit der Einreichung von Beschwerden habe ich in diesem Artikel auf der FEMNET-Webseite dargelegt.

Kapitel 6: Lieber klug konsumiert als dumm verkauft

Die Informationen in diesem Kapitel sind weiterhin hoch aktuell, nur dass sich der Kleiderkonsum gegenüber 2015 noch vergrößert hat. EU-Bürger*innen kauften 2022 laut Fairwertung im Durchschnitt 15 kg Kleidung, der Kleidungskauf hat sich von 2000 bis 2025 verdoppelt (von 50 auf 100 Milliarden Kleidungsstücke) und soll bis 2050 auf das Dreifache steigen. Zwar gibt es Recycling Bemühungen bei den chemischen Fasern, aber hier handelt es sich oft um ein Recycling von Plastik wie PET Flaschen in Kleidung, denn derzeit wird nur 1 Prozent aller Altkleidung überhaupt recycelt.  Recycling verringert nicht die Menge an Kleidung. Ich würde heute weniger zum Einkauf von öko-fairer Mode schreiben, denn wir sollten versuchen so wenig wie möglich neu zu kaufen. Noch immer stimmt das Credo von Vivienne Westwood, das ich am Schluss des Buches zitiere: „Buy less, choose well, make it last“.

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