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Frauenhände an Nähmaschiene blauer Stoff

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Abschwächung statt Umsetzung: Ein Überblick zum Stand des europäischen Lieferkettengesetzes

Am 3. September 2025 hat das Bundeskabinett eine deutliche Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes beschlossen: Die Berichtspflicht wird ausgesetzt, Sanktionen sind nur noch bei schweren Verstößen vorgesehen. Während damit zentrale Instrumente des nationalen Gesetzes entfallen, droht auch auf europäischer Ebene eine Verwässerung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). In Brüssel wird weiter verhandelt – Zeit für einen Blick auf den aktuellen Stand.

Zum Stand des europäischen Lieferkettengesetzes

Der transatlantische Handelsstreit zwischen den USA und der EU im Sommer 2025 sowie der Alleingang von Kanzler Merz gegen das deutsche Lieferkettengesetz und die CSDDD – ohne Rückendeckung seines Koalitionspartners SPD – haben die Debatte um eine Abschwächung der europäischen Regeln noch einmal befeuert. Besonders brisant: In einer gemeinsamen Erklärung mit den USA vom 21. August 2025 machte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Wochen des Zollstreits bereits konkrete Zugeständnisse an die USA. Dort bekräftigt von der Leyen, die CSDDD und verwandte Nachhaltigkeitsvorgaben so zu ändern, dass „keine unbilligen Beschränkungen für den transatlantischen Handel“[i] entstehen – noch bevor innerhalb der EU überhaupt Einigkeit über mögliche Änderungen erzielt ist. Offiziell heißt es, dass es sich dabei nur um einen „Gedankenaustausch“ der Handelspartner handle, doch die Absichten sollten klar geworden sein.

Das europäische Lieferkettengesetz sah zunächst vor, dass nicht nur europäische Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Nettoumsatz (Stand Juni 2024) erfasst werden, sondern auch Unternehmen aus Drittländern, wenn sie denselben Umsatz in der EU erzielen, so auch die USA. Schon lange vor dem Zollstreit hatten US-Politiker*innen und Wirtschaftsverbände deshalb Kritik geäußert: zu hoher bürokratischer Aufwand, zu hohe Compliance-Kosten, Wettbewerbsnachteile. Auch in Deutschland und der EU kritisieren Unternehmensverbände, Lobbygruppen und wirtschaftsnahe Parteien wie CDU / CSU die geplante Richtlinie als Bürokratiemonster und Wirtschaftshemmnis für Unternehmen. Es überrascht daher kaum, dass bereits ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie mit der sogenannten Omnibus-Initiative versucht wurde, deren Vorgaben wieder aufzuweichen.

Am 23. Juni 2025 hat der EU-Rat seine „Allgemeine Ausrichtung“ zum Omnibus-Paket beschlossen. Dieses betrifft sowohl die CSDDD als auch die CSRD (Nachhaltigkeitsberichterstattung) und legt die gemeinsame Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten gegenüber Kommission und Parlament fest. Überraschend war dabei, dass der Geltungsbereich der CSDDD deutlich eingeschränkt wurde – obwohl eine solche Verschärfung ursprünglich gar nicht Teil des Omnibus-Vorschlags war. So sollen die Regeln nun erst für Unternehmen ab 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro gelten, statt wie ursprünglich geplant ab 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro.

Rechtskräftig werden Änderungen an der Richtlinie aber erst nach Abschluss der Trilogverhandlungen, einer Abstimmung im EU-Parlament und der Veröffentlichung im Amtsblatt. Ursprünglich war die Umsetzung bis spätestens 26. Juli 2027 vorgesehen. Durch die diskutierte „Stop-the-Clock“-Regelung könnte sich der Beginn der Anwendbarkeit auf 26. Juli 2028 verschieben.

Der Irrweg Bürokratieabbau

Das Hauptargument in den Debatten sowohl um das europäische wie auch das deutsche Lieferkettengesetz lautet so oft, es sei zu viel überbordende Bürokratie. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) seien durch hohe Verwaltungslasten und Berichtspflichten belastet. Studien des IFW Kiel[ii] bestätigen, dass sich viele KMU von den neuen Regelungen überfordert fühlen.

Ein genauerer Blick zeigt jedoch: Hauptproblem ist weniger die Bürokratie selbst als vielmehr die Unklarheit und Unsicherheit über die rechtlichen Anforderungen. In einer Befragung[iii] nannten KMU als größte Hürden unpräzise rechtliche Anforderungen, fehlendes Wissen zur Risikoanalyse und mangelnde länderspezifische Informationen. Handreichungen sind oft zu allgemein, geeignete Tools kaum bekannt. Große Unternehmen wiederum leiten die Unsicherheit und Arbeitslast einfach weiter, indem sie pauschale Fragebögen an alle Lieferant*innen verschicken und so den Aufwand noch erhöhen.

Eine echte Entlastung wäre, bestehende Leitfäden und Tools zentral zu bündeln und länderspezifische Informationen niedrigschwellig auf einer zentralen Plattform bereitzustellen. Eine solche Vereinfachung sieht das Omnibus-Paket aber nicht vor. Stattdessen werden KMU indirekt stärker belastet: Als Zulieferer großer Unternehmen, die in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen, müssen sie umfangreiche Informationen liefern. Die Richtlinienkosten sind für KMU dadurch oft doppelt so hoch wie für große Konzerne, heißt es in der Studie, weil diese ihre Pflichten nach unten abwälzen.

Bürokratiefalle Tier-1-Ansatz

Ein zentrales Element der Omnibus-Pläne ist die Einschränkung des Anwendungsbereichs auf direkte Zulieferer (Tier 1), angelehnt an das deutsche LkSG. Das gilt als „Bürokratieabbau“, entlastet aber in erster Linie große Unternehmen, während KMU weiter belastet bleiben.

Der ursprüngliche risikobasierte Ansatz des europäischen LkSG (CSDDD) sah vor, dass Unternehmen dort genauer hinschauen müssen, wo die größten Gefahren für Menschenrechte und Umwelt bestehen – unabhängig davon, ob bei direkten Lieferant*innen oder weiter unten in der Wertschöpfungskette. Dieses Prinzip entspricht internationalen Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

Kauft ein deutscher Modekonzern etwa fertige Kollektionen von einem mittelständischen Betrieb in Italien, der wiederum Stoffe aus pakistanischen Färbereien verarbeitet, die Baumwolle aus Usbekistan beziehen, so müsste das Unternehmen bei den größten Risiken ansetzen – etwa Zwangsarbeit im Baumwollanbau oder Umwelt- und Gesundheitsgefahren in den Färbereien. Geeignete Maßnahmen wären beispielsweise die Zusammenarbeit mit lokalen Gewerkschaften und NGOs, Schulungen für Zulieferer*innen oder der Aufbau unabhängiger Beschwerdemechanismen.

Der Tier-1-Ansatz hingegen erfordert nur eine Prüfung des italienischen Zulieferers. Für große Konzerne bedeutet das weniger Tiefe ihrer Prüfpflichten. Für KMU, die als direkte Lieferanten fungieren, bedeutet es jedoch oft zusätzliche Bürokratie, da sie die Nachweispflichten tragen müssen. Am Ende droht die CSDDD damit zu einer reinen Compliance-Übung zu verkommen: Formal erfüllte Pflichten ohne echte Wirkung für Menschenrechte oder Umwelt.

Wirkung der Lieferkettengesetze

Dabei zeigen Studien, dass verbindliche Sorgfaltspflichten nicht nur den Schutz von Menschenrechten und Umwelt verbessern, sondern auch die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen stärken. In Deutschland und Frankreich wurden Unternehmen bereits verklagt, weil sie auf Grundlage nationaler Gesetze wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder dem französischen loi de vigilance Standards nicht eingehalten hatten.

Viele Firmen haben zudem freiwillig Sorgfaltspflichten eingeführt – ein Drittel der Unternehmen setzt menschenrechtliche Sorgfalt bereits um, teils entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sie könnten von verbindlichen Vorgaben profitieren, da gleiche Wettbewerbsbedingungen entstehen.

Die Kosten für Unternehmen werden voraussichtlich gering bleiben: Löhne im Globalen Süden machen nur einen Bruchteil des Endpreises aus. Gleichzeitig stärkt das Gesetz die Position von Arbeitnehmer*innen, erleichtert Gewerkschaftsbildung und könnte als Katalysator für regionale Harmonisierung dienen. Eine Studie Arbeitskammer Wien[iv] erwartet insgesamt positive Nettoeffekte auf den Markt: Konforme Produktion steigt, unfaire Wettbewerbsvorteile entfallen, Exportländer im Globalen Süden verlieren kaum an Wettbewerbsfähigkeit.

Zum Stand des deutschen Lieferkettengesetzes

Die Anwendbarkeit der europäischen Richtlinie wird voraussichtlich bis Juli 2028 verschoben – und damit auch ihre Umsetzung in nationales Recht. Bis dahin gilt das deutsche Lieferkettengesetz, das jedoch – wie das Bundeskabinett am 3. September beschlossen hat – nun deutlich abgeschwächt ist. Dadurch, dass die Berichtspflicht entfällt und die Haftung für Unternehmen eingeschränkt ist, fehlen bis zur Umsetzung der CSDDD zentrale Instrumente, um wirksam gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung vorzugehen. Anders als Bundeskanzler Merz es im Mai 2025 ankündigte, wird es aber vorerst nicht ganz abgeschafft.

Internationale Konferenz zu Due Diligence und Arbeitsrechten

Am 7. Oktober 2025 veranstaltet FEMNET e.V. in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem CorA-Netzwerk die Konferenz „Due Diligence und Arbeitsrechte – Umsetzung, Erwartungen und Perspektiven entlang der Lieferkette“ in Berlin. Die Veranstaltung richtet sich an politische Entscheidungsträgerinnen, Gewerkschaftsvertreterinnen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen aus Deutschland, Europa und dem Globalen Süden. Im Fokus stehen die praktische Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes (LkSG) sowie der EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht für nachhaltige Unternehmensführung (CSDDD).

Quellen

[i] Europäische Kommission (2025): Joint statement by the United States and the European Union on the framework agreement for reciprocal, fair and balanced trade. Brüssel, 21. August 2025. Abgerufen am 4. September 2025

[ii]Hanley, A.; Semrau, F.O.; Steglich, F.; Thiele, R. (2023): The cumulative effect of due diligence EU legislation on SMEs. (PDF) Kiel Institute for the World Economy. Kiel. 

[iii][iii] Ebda.

[iv] Jäger, Johannes; Durán, Gonzalo; Schmidt, Lukas (2023): Expected Economic Effects of the EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). (PDF) Herausgegeben von der Arbeiterkammer Wien. Wien.

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