Unternehmensverantwortung (CSR) & Lieferkettengesetz

Unternehmen tragen Verantwortung für die Auswirkungen ihres Handels. Dafür braucht es verbindliche Regeln. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitlinien zur Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten im Bekleidungs- und Schuhsektor sprechen dazu klare Empfehlungen aus, wie Staaten diese in nationale Gesetze übertragen können. Freiwillige Maßnahmen reichten bisher nicht aus. Seit Januar 2023 ist das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft und verpflichtet Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen.

Was ist Corporate Social Responsibility (CSR)?

CSR bezeichnet laut EU-Kommission die "Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft". Maßnahmen, die aus dieser Verantwortung resultieren, gelten als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. CSR umfasst ökologische, ökonomische und soziale Aspekte unternehmerischen Handelns. Die Basisreferenzen für Nachhaltigkeitsanforderungen sind die ILO-Grundsatzerklärung und die OECD-Leitsätze.

Wer ist verantwortlich?

Viele Unternehmen agieren global, in Industrieländern genauso wie im Globalen Süden oder Krisengebieten, wo Regierungen nicht willens oder in der Lage sind, gute Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen. Wer also trägt die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, die durch unternehmerisches Handeln entstehen? Sind es Unternehmen oder Regierungen, die die Gesetze erlassen? Als Antwort darauf entwickelte der UN-Menschenrechtsrat 2011 Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Diese definieren die Pflichten und Verantwortung von Unternehmen und Regierungen und geben Empfehlungen, wie sie in nationale Gesetze integriert werden können.

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Die Umsetzung der UN-Leitprinzipien in Deutschland

In Deutschland wurde auf Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016 der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, kurz NAP, verabschiedet. Dieser enthielt allerdings keine verpflichtenden Elemente. Das anschließende NAP-Monetoring, eine mehrjährige Unternehmensbefragung der Bundesregierung, zeigte, dass nur etwa fünf Prozent der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang eigener Lieferketten ausreichend nachkommen. Eine freiwillige Selbstverpflichtung reicht also nicht aus.

Was sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft & Menschenrechte?

Es gab und gibt einige Versuche auf transnationaler/internationaler Ebene Abkommen zur Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen einzuführen. Diese sind beispielsweise die Kernarbeitsnormen der International Labour Organisation (ILO) oder die OECD-Leitsätze oder die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die 2011 erlassen und von allen Regierungen als Mindeststandard anerkannt wurden.

Die Prinzipien sind in drei Säulen unterteilt:
Schutz, Achtung, Abhilfe

UN Leitprinzipien als Grafik mit drei Säulen

  1. Die Pflicht des Staates, Menschenrechte zu schützen
  2. Die Verantwortung von Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte
  3. Zugang zu gerichtlicher und außergerichtlicher Abhilfe gegen Menschenrechtsverletzungen

Quelle: Wirtschaft und Menschenrechte. Hrsg: CORA, 2014, S.2,

Das Lieferkettengesetz

Seit dem 1. Januar 2023 ist das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Ein wesentlicher Bestandteil der Sorgfaltspflichten besteht darin, ein Risikomanagement einzuführen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu erkennen, zu verhindern oder zu reduzieren. Das Gesetz schreibt vor, welche Maßnahmen zur Vorbeugung und Behebung ergriffen werden müssen, und es verpflichtet zur Durchführung von Beschwerdeverfahren und regelmäßiger Berichterstattung. Es bleiben jedoch Lücken hinsichtlich der Haftung, des Klimaschutzes und der Geschlechtergerechtigkeit. Über ein europäisches Lieferkettengesetz wird derzeit verhandelt.

Unsere Ziele

  1. Unternehmen legen ihre gesamte Lieferkette offen und veröffentlichen ihre Auditberichte.
  2. Auf deutscher und europäischer Ebene sorgen gesetzliche Regelungen für einen rechtlichen Rahmen, der es ermöglicht internationele Standards auch durchzusetzen.

 

Unsere Aktivitäten und Maßnahmen

Make the law work for workers.

Lieferkettengesetz: Für ein Gesetz das Arbeiter*innen nützt

Unsere Südpartner*innen kennen die Ziele und Möglichkeiten des deutschen Gesetzes, das am 1.1.2023 in Kraft getreten ist.
Gewerkschaften und betroffene Arbeiter*innen nutzen das sinnvoll, um Arbeitsrechtsverletzungen entgegenzutreten. 

EIN LIEFERKETTENGESETZ DAS ARBEITER*INNEN NÜTZT

 


Symposium des Textilbündnisses zu Existenzlöhnen im Jahr 2018. © Textilbündnis

Textilbündnis

Wir setzen entscheidende Impulse für den Prozess der Umsetzung von Sorgfaltspflichten der Textilunternehmen.
Wir bringen unsere Expertise im Steuerungskreis und bei wichtigen Fokusthemen wie Geschlechtergerechtigkeit und Beschwerdemechanismen ein.

AKTIV IN DEUTSCHLAND…

 


Buchprüfung, Lupe und Taschenrechner. &copy Gina Sanders - depositphotos.com

Zertifizierungen & Transparenz

Auf Sozialaudits basierende Zertifizierungen von Standards wie GOTS und Fairtrade ersetzen nicht die individuellen Sorgfaltspflichten von Unternehmen.

Transparenz & Audits...

 

Auf dem T-Shirt steht “Made in Bangladesh“. Aber in welcher der tausenden Fabriken wurde es tatsächlich hergestellt? Und wie sind die Arbeitsbedingungen dort? Nur wenn Unternehmen ihre Lieferketten und die Berichte zu Kontrollen in den Fabriken offenlegen, können Missstände aufgedeckt und behoben werden.

Katastrophen trotz Audits

2013 stürzte das Rana Plaza Fabrik­gebäude in Bangladesch ein. Es starben 1.134 Menschen, mehr als 2000 wurden verletzt. Erst wenige Monate vorher hatte der TÜV Rheinland die Bauqualität geprüft – Sicherheitsrisiken und Menschenrechtsverletzungen blieben unentdeckt.

2012 wurden bei Bränden in den Fabriken Ali Enterprises in Pakistan und Tazreen Fashions in Bangladesch über 350 Menschen getötet. Ali Enterprises war nach dem höchsten Standard von SA8000 zertifiziert, obwohl Notausgänge fehlten.

Um nach Fabrikkatastrophen herauszufinden, welche Marken dort produzieren ließen, suchten Menschen in den Trümmern nach Etiketten. Denn oftmals lässt sich nicht einmal nachvollziehen, welche Unternehmen welche Fabriken beauftragen, weil viele Unternehmen ihre Lieferkette noch immer nicht offenlegen. Verlässliche Informationen zu Sicherheitsmängeln und Menschenrechtsverletzungen sind kaum öffentlich zugänglich.

Zwar verpflichten sich Unternehmen durch selbstauferlegte Verhaltensregeln, sog. Verhaltenskodizes, zu sozialen und ökologischen Standards. Aber wer kontrolliert, ob diese schönen Versprechen auch eingehalten werden?

Ineffektive Fabrikkontrollen

Kontrollen vor Ort werden von privatwirtschaftlichen Auditfirmen wie z.B. TÜV Rheinland durchgeführt. Bezahlt werden sie jedoch oft von den Fabriken selbst. Denn nur wenn sie ein Audit nachweisen können, bekommen sie Aufträge von den großen Marken. Dies führt zu Interessenskonflikten, sodass diese Sozialaudits oftmals eher das Image der Marken als die Rechte von Arbeiter*innen schützen.

Unser Ziel

Unternehmen sind durch verbindliche Regeln dazu verpflichtet ihr Transparenzversprechen einzulösen.

Das wollen wir erreichen:

  1. Zertifizierungen dienen nicht als Schlupflöcher (safe harbour) dienen. Dies sollte im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland und auf EU-Ebene verankert sein.
  2. Sozialaudits werden veröffentlicht, damit Betroffene bzw. ihre Vertreter*innen, wie lokale Gewerkschaften und NGOs ,Einsicht bekommen und ihre Sichtweise darlegen können.
  3. Unternehmen machen die Namen ihrer Zuliefererfabriken sowie Daten zu menschenrechtlichen Fragen (Löhne, Diskriminierung, Gewerkschaftsfreiheit etc.) öffentlich zugänglich.
  4. Gesetze regeln Transparenzverpflichtungen und schaffen Mechanismen für deren Durchsetzung.
  5. Haftungsregeln in Bezug im Hinblick auftraggebende Unternehmen und Auditfirmen bei Arbeitsunfällen sind klar

 

FashionChecker – Ausbeutung im Rampenlicht

FashionChecker

 

Gemeinsam setzen wir die Firmen unter Druck: Mit dem neuen FashionChecker zeigen wir die Einkaufspraktiken von über 100 Modeunternehmen und fordern diese auf, die Arbeitsbedingungen ihrer Arbeiter*innen zu verbessern sowie transparent darüber zu berichten.

MEHR ZUR KAMPAGNE

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag nimmt Bezug zu unserer Pressemitteilung und der Reaktion des BMZ vom 07.01.2021

 

Lücken in der öffentlichen Berichterstattung

Das BMZ schreibt:

„Zudem ist die öffentliche Berichterstattung von der eigentlichen Prüfung durch unabhängige  Auditoren zu unterscheiden. Unternehmen müssen im Rahmen der Prüfung am Unternehmenssitz etwaige Lücken ausräumen. Das heißt: Wenn es Lücken in der öffentlichen Berichterstattung gibt, dann kann man nicht pauschal daraus schließen, dass diese Aspekte in der Prüfung unberücksichtigt waren. Insofern weisen wir die Kritik in diesem Punkt deutlich zurück.“

Unsere Antwort:

Wie das BMZ selbst feststellt, fokussiert die Untersuchung auf die öffentliche Berichterstattung der Unternehmen. Anders als in der Stellungnahme angedeutet, ist die öffentliche Kommunikation aber keineswegs nur eine von mehreren möglichen Informationsquellen im Prüfprozess. Vielmehr ist eine mindestens jährliche und systematische öffentliche Kommunikation zu Engagement und Managementsystemen, wesentlichen Risiken, Maßnahmen, Beschwerdemechanismen und zur Kommunikation mit Stakeholdern mit präzisen, klar verständlichen und lesefreundlichen Informationen selbst eine zwingend zu erfüllende eigenständige Anforderung des Standards. (Indikatoren 4.1.1. bis 4.1.7., siehe S. 9ff des Berichts). Es reicht also nicht aus, wenn Unternehmen im Prüfungsprozess den Prüfstellen weitere Informationen nachliefern. Um das Kriterium 4.1. zu erfüllen, müssen diese zwingend öffentlich sein.

Im Fazit unserer Untersuchung (S.32) haben wir zwei mögliche Erklärungen dieses Defizits diskutiert: (1) eine mangelnde Kommunikation verbunden mit einer zu großzügige Interpretation durch die Prüfstellen und (2) eine unzureichende Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und des OECD-Leitfadens. Beide Erklärungen unterstreichen, dass das BMZ hier dringend nachsteuern muss.

Der Grüne Knopf als freiwilliges Zertifizierungsprogramm

Das BMZ bestätigt in der Stellungnahme, dass der der Grüne Knopf ein freiwilliges Zertifizierungsprogramm ist, das BMZ sieht diesen als Teil eines Smart-Mix von Massnahmen. Wir sehen darin keinen Widerspruch zu unseren Aussagen. Wir begrüssen, dass das BMZ ebenfalls eine verbindliches Lieferkettengesetz unterstützt.

Grüner Knopf als Blaupause für ein Lieferkettengesetz

Das BMZ schreibt:

„Das Sorgfaltspflichtengesetz und der Grüne Knopf haben mit den VN-Leitprinzipien die gleiche Grundlage. Damit ist der Grüne Knopf die Blaupause für ein Sorgfaltspflichtengesetz.“

Unsere Antwort:

Wir teilen die Ansicht des BMZ, dass die VN-Leitprinzipien die Grundlage für ein Sorgfaltspflichtengesetz bilden sollten. Zusätzlich sollten die OECD-Leitlinien und Leitfäden Orientierung geben, diese stellen eine von der Bundesregierung und vielen weiteren Staaten anerkannte Konkretisierung der Leitprinzipien dar. Auch der Grüne Knopf bezieht sich auf diese Prinzipien. Unsere Recherche zeigt allerdings, dass der Grüne Knopf in der aktuellen Umsetzung deutlich hinter den im OECD-Leitfaden formulierten Ansprüchen an die öffentliche Kommunikation zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung zurückfällt. Würde diese unzureichende Umsetzung nun auch auf ein Lieferkettengesetz übertragen, käme ein unzureichendes Lieferkettengesetz heraus.

Ausnahmeregelung für Produktion in der EU

Das BMZ schreibt:  

„Die Unternehmenskriterien des GK gelten für alle Unternehmen – ganz unabhängig davon, ob die Textilien in Deutschland, der EU oder außerhalb der EU produziert wurden. Im Rahmen dieser Anforderungen muss ein Unternehmen Risiken in seiner Lieferkette identifizieren und Abhilfe leisten – dies kann bei einer Produktion in Europa z.B. unzureichende Löhne oder übermäßige Arbeitszeiten umfassen. Insofern ist es schlicht nicht zutreffend, dass Unternehmen, die in der EU produzieren, von sozialen Anforderungen ausgenommen seien.“

Unsere Antwort:

Das BMZ zitiert den Recherchebericht falsch. Der Recherchebericht behauptet nicht, dass in der EU-produzierte Waren von allen sozialen Anforderungen ausgenommen sind. Festzuhalten bleibt allerdings, dass nach dem GK Standard für die Einhaltung der produktbezogenen (!) Grüner-Knopf-Kriterien im Bereich Soziales keine zusätzlichen Nachweise erforderlich sind, sofern Unternehmen nachweisen können, dass Produkte vollständig in der EU gefertigt wurden. In anderen Dokumenten stellt das BMZ diese Tatsache nicht in Abrede, so dass wir uns über diese falsche oder verkürzte Darstellung wundern. Bezüglich der Unternehmenskriterien vertritt das BMZ die Auffassung, dass jedes in der EU produzierende Unternehmen „die Risiken in den EU-Produktionsländern kennen, analysieren und effektive Gegenmaßnahmen ergreifen“ muss. Dies könnte theoretisch die fehlen produktbezogenen Kriterien auffangen, doch unsere Untersuchung zeigt, dass die berichteten Risikoanalysen und Maßnahmen zu unspezifisch und unzureichend sind, um den Problemen in der EU-Produktion, etwa Armutslöhnen, effektiv zu begegnen. Wir halten an unserer Kritik an der EU-Ausnahme in den produktbezogenen Kriterien fest und stellen darüber hinaus fest, dass es in der aktuellen Umsetzung nicht gelingt, dieses problematische Defizit durch die unternehmensbezogenen Kriterien aufzufangen.

Zahlung existenzsichernder Löhne

Wir begrüssen, dass das BMZ in seiner Stellungnahme deutlich macht, dass das Thema existenzsichernde Löhne in der anstehenden Standard-Überarbeitung Priorität haben soll.

 

Zürich, Bonn 11.01.2021

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