Demonstration vor der Burmesischen Botschaft in Berlin
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Myanmar: Ein Überlebenskampf an mehreren Fronten

Ein Bericht unserer Mitarbeiterin, Ohnmar Khin.

Zwei Jahre ist es her, dass sich das Militär in Myanmar, gewaltvoll an die Macht geputscht hat. Schon nach wenigen Tagen gab es unzählige Festnahmen und Todesfälle bei Demonstrationen gegen das Regime. An vorderster Front Textilarbeiter*innen, die in Fabriken internationaler Unternehmen arbeiten und bis heute trotz der großen Gefahr weiter auf die Straße gehen. Gleichzeitig fehlt es allen Burmesen im Land am Allernötigsten: Die Lebenshaltungskosten sind wegen der Inflation explodiert und es gibt keine ausreichende medizinische Versorgung mehr im Land. Viele haben nicht die finanziellen Möglichkeiten zu fliehen und die, die es schaffen stehen vor neuen Herausforderungen und müssen auch in weiter Ferne um ihre Zukunft und die ihrer Familien fürchten.

„What happens to a dream deferred?
Does it dry up like a raisin in the sun?

Or fester like a sore and then run?
Does it stink like rotten meat? […]

Or does it explode?“

Langston Hughes

Am ersten Februar 2023, zwei Jahren nach dem Putsch des Militärs in Myanmar war ich in Berlin, um zu demonstrieren. Dort habe ich mich mit ein paar neuen Freunden aus Myanmar getroffen. Diese Freundschaften sind letztendlich alle durch den Putsch entstanden. Wir leben alle weit entfernt von unseren Familien und unserer Heimat, das schweißt zusammen. Eine dieser Freund*innen ist Filmregisseurin, ein anderer Politikwissenschaftler und eine Grafikdesignerin. Jugendliche haben in Myanmar keine Zukunft mehr. Sie fliehen, sofern sie die Möglichkeit haben. Andere bleiben, opfern ihr Leben und kämpfen gegen das Militär. Für mich sind sie Held*innen. Meine neuen Freunde haben Schwierigkeiten Deutsch zu lernen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, wenn sie in Deutschland klarkommen wollen. Für mich war es eine freie Entscheidung diese schwierige Sprache zu lernen, weil ich mich vor acht Jahren dazu entschieden habe in Deutschland zu studieren. Das war vor dem Putsch. Aber meine Freund*innen? Sie tun mir leid, weil sie keine andere Wahl hatten und nun von vorne in Deutschland anfangen müssen. Das Militär hat unsere Heimat zerstört. Trotzdem haben es meine Freund*innen gut, denn sie hatten die Möglichkeit aus Myanmar zu fliehen, während andere - Jugendliche, Arbeiter*innen, Näher*innen oder alte Menschen - ohne medizinische Versorgung im Land zurück bleiben und leiden müssen.

So zum Beispiel die Näher*innen, die seit Beginn des Putsches demonstrieren. Myanmar Labour News berichtet täglich wie Näher*innen und Arbeiter*innen im Land leiden und ausgebeutet werden. In einem Bericht schreibt der Autor wie Arbeiterinnen von Aufsehern bedroht worden sind und sie zu Überstunden gezwungen werden, weil sie sonst ihren Job verlieren. Die Überstunden werden nicht bezahlt. Die Arbeiterinnen haben Angst ihr Einkommen zu verlieren und machen deshalb keine Mittagpausen, damit die Arbeit fertig wird, so wie der Aufseher es verlangt. Wie kann das vor unser aller Augen weiter so passieren? Es gibt keine Krankenversicherung oder soziale Sicherheit in den Fabriken. Wenn eine Näherin sich krank meldet, hat sie kein Recht auf bezahlte Krankentage. Und wenn sie sich länger als zwei Tage krankmeldet, verliert sie ihre Arbeit. Myanmar Jiale Fashion Garment Fabrik stellen Kleidungen für große Marken wie H&M, Zara und OYSHO her. Wie kann es sein, dass Näherinnen für reiche Unternehmen in den Fabriken unbezahlte Überstunden machen müssen? Sie haben keinerlei Möglichkeit sich zur Wehr zu setzen. Wenn sie es tun, werden sie entlassen. Gleichzeitig ist wegen des Putsches und der unruhigen politischen Lage die Inflation in Myanmar sehr hoch, daher brauchen Arbeiter*innen ihren Job, um zu überleben. Für die Näher*innen ist die aktuelle Situation deshalb ein Überlebenskampf an mehreren Fronten.

Ohnmar Khin kommt aus Myanmar und lebt seit 2015 in Deutschland. Nach ihrem Deutschkurs begann sie 2019 in Bonn zu studieren. Seitdem ist sie studentische Hilfskraft bei FEMNET. Ihre Familie lebt bis heute in Myanmar. Aufgrund der politischen Lage, kann Ohnmar derzeit nicht nach Myanmar einreisen, um ihre Familie zu besuchen.

Unsere Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft IWFM

Mit Beginn der Machtübernahme des Militärs im Feburar 2021 hat FEMNET einen Nothilfefonds für Textilarbeiter*innen eingerichtet und mehrfach über die Situation vor Ort berichtet. Außerdem unterstützt FEMNET die Gewerkschaft „Industrial Workers' Federation of Myanmar“ (IWFM) seit 2021 finanziell. 2022 hat FEMNET insgesamt 11.000 EUR an Spenden an IWFM für 127 gewerkschaftlich Organisierte, insbesondere Textilarbeiterinnen, weitergeleitet und damit rund 835 Personen unterstützt.

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Quellen:

Myanmar Labour News, 16. Feb. 2023

FEMNET hat mehrfach zur Lage in Myanmar berichten:

31. August 2022
Überstunden, Überwachung und Gewalt - Zur aktuellen Lage in Myanmar

04. Oktober 2021
Die Auswirkungen des Militärputsches auf die Bekleidungsbranche in Myanmar sind fatal

19. August 2021
Gewerkschaften in Myanmar fordern umfassende Wirtschaftssanktionen

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