Nachrichten & Pressemitteilungen - Nachrichten zu EIS (Employment Injury Scheme)

Tithi Afrin
Die Gewerkschafterin Tithi Afrin bei einem Vortrag an der Hochschule Hannover. © Mel Rangel

Speakers‘ Tour verdeutlicht Notwendigkeit einer nachhaltigen Unfallversicherung in Bangladesch

Vom 5. bis 14. April 2024 empfing FEMNET Tithi Afrin und Md. Shahinur Rahman aus Bangladesch. Die Gewerkschafterin Afrin und der Arbeitsrechtsexperte Rahman reisten gemeinsam mit FEMNET durch Deutschland und gaben auf ihrer Rundreise in Universitäten und auf Abendveranstaltungen in verschiedenen Städten Einblicke in die aktuelle Situation in den Textilfabriken und stellten die Unfallversicherung in Bangladesch, das Employment Injury Scheme (EIS), vor.

Warum eine arbeitgeberfinanzierte Unfallversicherung in Bangladesch so wichtig ist

Diskussionsveranstaltung an der Hochschule Hannover ©  Mel RangelDiskussionsveranstaltung an der Hochschule Hannover © Mel RangelNach dem Rana Plaza Fabrikeinsturz im Jahr 2013 hat sich die Sicherheit in den Fabriken stark verbessert. Das rechtlich bindende Abkommen zu Brandschutz und Gebäudesicherheit, der Accord, konnte größere Katastrophen verhindern, doch nicht alle Unfälle können verhindert werden. So stellt sich zum Beispiel auch die Wartung von Heizkesseln in den Fabriken als Herausforderung dar, da sich Audits durch fehlendes Personal bei der zuständigen Institution, dem RMG Sustainability Council (RSC), verzögern. Welch hohes Risiko von aufgeschobenen Kesselinspektionen ausgeht, wurde 2017 deutlich, als 13 Arbeiter*innen in der Fabrik Multifabs bei einer Explosion starben. Auch durch andere Gefahren, wie z.B. durch die Bedienung von Maschinen, bleiben Arbeiter*innen einem Risiko ausgesetzt. Daher ist es unerlässlich, dass eine Unfallversicherung nach internationalen Standards, wie der ILO-Konvention 121, Arbeiter*innen und ihre Familien im Falle eines Unfalls hinreichend unterstützt. Das 2022 implementierte Employment Injury Scheme soll als Pilotprojekt diese Lücke schließen und den Weg hin zu einer nachhaltigen arbeitgeberfinanzierten Unfallversicherung in Bangladesch ebnen.

Tithi Afrin und Md. Shahinur Rahman: Stimmen aus Bangladesch

Filmhaus Koeln © FEMNETTithi Afrin und Md. Shahinur Rahman im Kreis von FEMNET-Mitglieder und  -Mitarbeiterinnen im Filmhaus Köln © FEMNETFEMNET unterstützt dieses wegweisende Projekt, das u.a. von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) initiiert wurde und trägt dazu bei, dass das Projekt bei Marken, Organisationen und der allgemeinen Öffentlichkeit bekannt gemacht wird. Hierzu hat FEMNET im April 2024 die Gewerkschafterin Tithi Afrin und den Arbeitsrechtsexperten Md. Shahinur Rahman eingeladen. Afrin arbeitet als Koordinatorin bei der Gewerkschaft NGWF (National Garment Workers Federation) zu den Themen Mindestlöhne und soziale Sicherheit. Zudem beschäftigt sie sich mit den Bedürfnissen und Forderungen von Frauen in der Bekleidungsindustrie und gibt Schulungen für Arbeiter*innen zum EIS. Shahinur Rahman kooperiert seit 15 Jahren mit Gewerkschaften, Arbeitsrechtsorganisationen sowie Marken, und hat in Kooperation mit FEMNET und der GIZ 32 Gewerkschafter*innen zum EIS ausgebildet.

Einblick und Austausch: Die Speakers‘ Tour durch Deutschland

Vorlesung an der HTW Berlin © FEMNETVorlesung an der HTW Berlin © FEMNETSieben Tage lang reisten die beiden mit FEMNET von Bonn über Mönchengladbach, Düsseldorf und Köln nach Hannover, Berlin und Hamburg. Auf der Rundreise besuchten die beiden vier Universitäten und erreichten insgesamt über 100 Studierende. Zu den Abendveranstaltungen in Düsseldorf, Köln, Berlin und Hamburg kamen insgesamt über 150 Menschen. Nach den Inputs der beiden blieb Raum für einen Austausch mit den Besucher*innen. Afrin, die zum ersten Mal nach Europa gereist ist, freute sich über die Resonanz: „Uns wurde großes Interesse entgegengebracht. Die Besucher*innen haben viele tiefgehende Fragen gestellt, und es entstanden lebhafte Diskussionen über die Verantwortung, die Unternehmen, Konsumierende und die Politik tragen.” Ein Großteil der Besucher*innen gab in einer anschließenden Evaluation an, nun selbst aktiv werden zu wollen.

Erfolge des EIS-Pilotprojekts

Die nächste Speakers‘ Tour mit Fokus auf gendergerechtem Gesundheitsschutz

Vom 20. - 28. November 2024 führt FEMNET die nächste Speakers' Tour mit Vertreter*innen von Gewerkschaften aus Indien und Indonesien durch. Dabei wird der Fokus auf geschlechtergerechtem Gesundheitsschutz der Arbeiter*innen in Textil- und Schuhfabriken liegen. Öffentliche Veranstaltungen sind in Bonn und Berlin geplant und werden in Kürze im Veranstaltungskalender bekannt gegeben. Das Projekt zu gendergerechtem Gesundheitsschutz und die Speakers’ Tour führen wir in Kooperation mit dem SÜDWIND Institut durch .

Der EIS-Pilot wird bereits von über 45 Marken wie Amazon, C&A, H&M, Inditex, Primark und Puma unterstützt. Auf der Mitgliederversammlung des Textilbündnisses wurden Afrin und Rahman eingeladen, über die Entwicklungen des Piloten zu berichten und hatten somit die Möglichkeit, weitere Marken über das EIS zu informieren. Aufbauend auf diese Gespräche bot FEMNET im Juli Webinare an, und konnte so weitere Marken wie Mango und Olymp dazu ermutigen, das EIS Projekt ebenfalls zu unterstützen. Das EIS zahlt Kompensationszahlungen an Arbeiter*innen, die durch einen Unfall am Arbeitsplatz dauerhaft arbeitsunfähig geworden sind, und an Familien, die ein Familienmitglied durch einen Arbeitsunfall verloren haben. Neben den monatlichen Zahlungen werden auch Daten zu Unfällen in der Textilindustrie gesammelt und Berechnungen zum finanziellen Aufwand einer nachhaltigen Unfallversicherung erstellt. Mit diesen beiden Komponenten soll sichergestellt werden, dass Kapazitäten aufgebaut werden und eine nachhaltige Unfallversicherung nach Beendigung der Pilotphase von der Regierung Bangladeschs im Arbeitsrecht verankert wird. Erst im August formte sich nach starken Ausschreitungen bei Protesten und dem Rücktritt der Premierministerin eine neue Übergangsregierung in Bangladesch. Menschen- und Arbeitsrechtler*innen hoffen nun, dass die Stimmen der Gewerkschaften und Arbeiter*innen zukünftig mehr Gehör finden.

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