Nachrichten - Bündnis für nachhaltige Textilien © Julia Merkel | BMZ Zehn Jahre Textilbündnis: Eine kritische Betrachtung von Vor- und Nachteilen Das Textilbündnis feierte am 28. November 2024 sein zehnjähriges Bestehen mit einer hochrangigen Veranstaltung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Neben Ministerin Svenja Schulze nahm auch die FEMNET-Vorstandsvorsitzende Dr. Gisela Burckhardt an der Podiumsdiskussion teil und brachte zentrale Punkte aus zivilgesellschaftlicher Perspektive ein. Ein weiterer Höhepunkt der Veranstaltung war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung. Seit seiner Gründung im Jahr 2014 verfolgt das Textilbündnis das Ziel, die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Textilproduktion nachhaltig zu verbessern. Dabei arbeiten verschiedene Akteur*innen wie Unternehmen, Gewerkschaften, Standardorganisationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und staatliche Stellen zusammen. Eine zentrale Frage aus zivilgesellschaftlicher Perspektive bleibt jedoch: Wie fällt die Bilanz nach einem Jahrzehnt aus? Eine gemischte Bilanz: Erfolge und Herausforderungen Nach zehn Jahren zeigt das Textilbündnis sowohl Erfolge als auch deutliche Herausforderungen. Auf der positiven Seite stehen die Plattform für Dialog, die Vorbildfunktion in Bezug auf gesetzliche Vorgaben und die erhöhte Transparenz. Gleichzeitig werden ungleiche Ressourcenverteilung und die unzureichende Einbeziehung von Rechteinhaber*innen aus den Produktionsländern als Schwächen identifiziert. Die gemeinsam unterzeichnete Absichtserklärung „Stärkung von lokalen Gewerkschaften und lokalen NROs als legitime Vertretungen von Rechteinhaberinnen – Weil wir gemeinsam mehr erreichen!“ betont die zentrale Rolle von Gewerkschaften und NGOs in Produktionsländern. Sie zeigt auf, wie durch Zusammenarbeit Lieferketten fairer, transparenter und widerstandsfähiger gestaltet werden können – mit besseren Arbeitsbedingungen, mehr Umweltschutz und ambitionierter Sorgfaltspflicht. Vorteile des Textilbündnisses Regelmäßiger Austausch und erhöhter Einblick Das Textilbündnis bietet eine wertvolle Plattform für den Austausch zwischen Unternehmen, NGOs und staatlichen Akteur*innen wie dem BMZ. Dieser Dialog ermöglicht NGOs fundierte Einblicke in Herausforderungen der Lieferkette. Gleichzeitig werden NGOs von Unternehmen als kompetente Partner wahrgenommen, insbesondere aufgrund ihrer Verbindungen zu lokalen Gewerkschaften und Organisationen. Vorreiterrolle bei gesetzlichen Vorgaben Das Bündnis hat durch die Entwicklung von Kriterien und Key Performance Indicators (KPIs) eine Vorreiterrolle eingenommen. Diese dienten unter anderem als Grundlage für den Grünen Knopf und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Diese Standards fördern Nachhaltigkeitskriterien über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus. Erhöhte Transparenz und Fokusthemen Durch das Textilbündnis wurden Unternehmen motiviert, Transparenz in ihren Lieferketten zu schaffen. Ab 2025 müssen Unternehmen auch ihre Tier-2-Lieferanten auf der Plattform Open Supply Hub offenlegen. Diese Transparenz erleichtert es, Probleme frühzeitig zu erkennen und anzugehen. Darüber hinaus legt das Bündnis mittlerweile den Fokus auf spezifische Themen, unterlegt mit KPIs, über deren Umsetzung die Unternehmen berichten müssen. Nachteile des Textilbündnisses Geringe Einbeziehung von Rechteinhaber*innen aus Produktionsländern Die Beteiligung von lokalen Organisationen aus dem globalen Süden bleibt unzureichend. Oft fehlen finanzielle Mittel für die Partner vor Ort, wodurch ihre Mitwirkung häufig pro forma bleibt und echtes Mitspracherecht fehlt. Geringe Wirkung für Arbeiter*innen Trotz zehnjähriger Arbeit haben sich die Arbeits- und Umweltbedingungen in den Produktionsländern kaum verbessert. Ungleiche Ressourcenverteilung Die ungleiche Verteilung von Ressourcen zwischen Marken, Handelsverbänden und NGOs führt zu einem Machtungleichgewicht. Unternehmen haben oft einen größeren Einfluss auf Entscheidungsprozesse, was die Position zivilgesellschaftlicher Akteur*innen schwächt. Verlust des „Beyond Compliance“-Ansatzes Ursprünglich verfolgte das Textilbündnis einen Ansatz, der über gesetzliche Vorgaben hinausgeht. Doch seit Inkrafttreten des LkSG konzentrieren sich Unternehmen zunehmend auf die Erfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen und engagieren sich weniger in darüber hinausgehenden Bereichen, wie z. B. der Zahlung existenzsichernder Löhne. Wahrnehmung der NGOs Einige Unternehmen betrachten NGOs eher als „Watchdogs“ anstatt als konstruktive Partner. Diese Wahrnehmung erschwert den Dialog und verstärkt Spannungen, was die Zusammenarbeit belasten kann. Kleinteilige und fragwürdige Wirkung von Projekten Viele Projekte des Textilbündnisses sind kleinteilig und ihre Wirkung vor Ort bleibt oft unklar. Es stellt sich die Frage, ob diese Projekte substanzielle, systemische Veränderungen bewirken können. Fazit: Von Absichtserklärungen zu messbaren Fortschritten Es ist an der Zeit, von Absichtserklärungen und Strukturdiskussionen zu konkret messbaren Fortschritten überzugehen. Nur so kann das Textilbündnis sicherstellen, dass die gesteckten sozialen und ökologischen Ziele in den Lieferketten tatsächlich erreicht werden. Der Leitgedanke „Gemeinsam erreichen wir mehr“ muss durch greifbare Ergebnisse untermauert werden, wie die Zivilgesellschaft in ihrem gemeinsamen Statement zum Jubiläum betont hat. Weiterführende Informationen Gemeinsames Statement der Zivilgesellschaft im Bündnis für Textilien vom 26.11.2024 Kategorie: Bündnis für nachhaltige Textilien zurück