Nachrichten aus den Produktionsländern Nachrichten aus Bangladesch © Md. Shahinur Rahman Flutkatastrophe in Bangladesch: Wie der Klimawandel die Textilindustrie bedroht Seit dem 20. August 2024 haben heftige Regenfälle zu schweren Überschwemmungen in elf Distrikten Bangladeschs geführt. Laut dem Ministerium für Katastrophenschutz sind etwa 5,7 Millionen Menschen betroffen, rund 470.000 suchen Zuflucht in Notunterkünften, und 23 Menschen kamen bislang ums Leben. Bangladesch kommt nicht zur Ruhe. Anfang August ist nach wochenlangen Protesten mit hunderten Toten Premierministerin Sheikh Hasina zurückgetreten. Nun wird die junge Übergangsregierung unter dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus auf eine harte Probe gestellt: Seit dem 20. August kommt es durch starke Regenfälle zu Hochwasser und Überschwemmungen. Besonders betroffen sind die Distrikte Feni, Cumilla, Brammanbaria, Noakhali, Lokkhipur, Chittagong Hill Tracts, Chattogram, North Negal sowie Cox´s Bazar, wo sich das größte Flüchtlingslager der Welt befindet und rund 1 Million vertriebene Rohingya leben. „In Chattogram gibt es viele Bekleidungsfabriken. Arbeiter*innen einiger Fabriken können aufgrund der Überschwemmung nicht zur Arbeit gehen und haben daher keinen Anspruch auf Lohn für diese Tage.“, berichtet Sohrab der Green Bangla Garments Workers Federation. „Darüber hinaus gibt es viele Arbeiter*innen, deren Familien in den überschwemmten Gebieten leben und schwer unter der Katastrophe leiden.“ Durch die Flut sind Gebäude und Häuser zerstört, Straßen und Stromversorgung unterbrochen, und viele Gebiete sind von der Außenwelt abgeschnitten. „Diejenigen, die nicht betroffen sind, versuchen zu helfen, wo sie können. Es ist erschütternd zu sehen, wie Menschen Tag für Tag verhungern. Die Situation ist völlig außer Kontrolle“, sagt eine Mitarbeiterin unserer Partnerorganisation BILS. Viele Menschen suchen Schutz in Notunterkünften oder auf Dächern. Es mangelt an allem, sauberem Trinkwasser, Nahrung, Kleidung. Überschwemmungen und Klimawandel © MD Shahinur Rahmann Überschwemmungen während der Monsunzeit zwischen Juni und September sind in Bangladesch nicht ungewöhnlich. Die Flüsse treten über die Ufer und sorgen für fruchtbare Böden. Extremwettereignisse wie die derzeitigen Überschwemmungen nehmen jedoch in jüngster Zeit zu. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Bangladesch besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist. In den letzten 20 Jahren entfielen laut Weltbank 60 Prozent der weltweit durch Zyklone verursachten Todesfälle auf Bangladesch[i]. Diese Situation könnte sich durch verstärkte Niederschläge weiter verschlimmern, da prognostiziert wird, dass die Regenmenge in den kommenden Jahrzehnten durchschnittlich um 53,6 mm ansteigen wird. Darüber hinaus ergab eine Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), dass die Anzahl heißer Tage im Land in den vergangenen Jahrzehnten jährlich um 26 Tage gestiegen ist und sich bis 2050 voraussichtlich um weitere 35,8 Tage pro Jahr erhöhen wird[ii]. Die zunehmende Hitze bringt zudem erhebliche gesundheitliche Risiken mit sich. Vor allem weibliche Beschäftigte im Textilsektor leiden unter dem Hitzestress[iii]. Die Verbindung zwischen Klimawandel und der Textilindustrie Die Textilindustrie trägt in hohem Maße zum Klimawandel bei. Schätzungen zufolge ist sie für 3% bis 10% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich[iv] und verbraucht enorme Mengen an Wasser, was zu etwa 20% der industriellen Wasserverschmutzung führt[v]. Gleichzeitig ist die Textilindustrie einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Bangladeschs. Nach China ist Bangladesch der weltweit größte Textilexporteur. Im Geschäftsjahr 2022/2023 machte die Textilindustrie 84,58% aller Exporte des Landes aus und trug 8,29% zum Bruttoinlandsprodukt bei[vi]. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Importeur von Kleidung aus Bangladesch, mit Importen im Wert von 6,68 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023.[vii] Bedrohungen und Chancen: Der Weg zu einer Just Transition © MD Shahinur RahmannExtreme Wetterereignisse könnten bis 2030 Bekleidungsexporte im Wert von 65 Milliarden Dollar gefährden und fast eine Million Arbeitsplätze in wichtigen Ländern der globalen Modeindustrie, darunter Bangladesch, vernichten[viii]. Damit ist einer der maßgeblichen Wirtschaftszweige des Landes bedroht. Die aktuelle Flutkatastrophe in Bangladesch unterstreicht nicht nur die Dringlichkeit für eine nachhaltige Wirtschaft und effektiven Klimaschutz, sondern auch die Notwendigkeit einer gerechten Transformation - einer Just Transition. Die jüngsten Proteste, die zum Rücktritt der Regierung führten, zeigen zudem deutlich, dass Arbeitsrechte gestärkt und faire Löhne für alle erreicht werden müssen. Die Textilindustrie in Bangladesch steht vor der Herausforderung, sich an den Klimawandel anzupassen und gleichzeitig die Rechte und das Wohlergehen ihrer Arbeiter*innen zu schützen. Denn trotz dieser Bedrohungen gibt es Chancen: Durch die zunehmende Nachfrage nach nachhaltiger, zirkulärer Textilproduktion könnte Bangladesch sich als Vorreiter positionieren. Um das zu erreichen, müssen neben der neuen Übergangsregierung ebenso Unternehmen Verantwortung übernehmen und den Textilarbeiter*innen trotz Verzögerungen und Ausfällen in der Produktion ihre vollen Löhne zahlen und in nachhaltige Strukturen und Technologien investieren. Spenden © MD Shahinur RahmannMit unserem Solifonds unterstützen wir unsere Partner in Bangladesch, für die Betroffenen der Flutkatastrophe unmittelbare Hilfe zu leisten und langfristig zu einer gerechteren und nachhaltigeren Textilindustrie beizutragen. Jetzt spenden Quellen [i] World Bank: Bangladesh: Climate Data – Projections, n.d.. [ii] ILO: Turning up the heat, 2021 [iii] FEMNET: Gendergerechter Gesundheitsschutz – Nachrichten 2024 [iv] Quantis: Measuring Fashion: Environmental Impact of the Global Apparel and Footwear Industries Study, 2018, (PDF), ebenso Clean Clothes Campaign: The intersections of environmental and social impacts of the garment industry, 2022, [v] Bangladesh Institute of Labour Studies – BILS: Draft Report: Assessing Exposure and Vulnerabilities of RMG Workers to Climate Change and Environmental Causes, 2024. [vi] BGMEA: Export Performance, 2024, Uddin, Mohammad Jalal: Sectoral dependency and its impact on economy - A case study of Bangladesh, 2019; Syeda Rozana Rashid (The Solidarity Center): A Study on the Effects of Garment Production on Workers and their Local Communities in Bangladesh, 2022. [vii] BGMEA: Export Performance, 2024 [viii] McKinsey, State of Fashion 2024 Weitere Quellen: Tagesschau: Immer mehr Textilien kommen aus Bangladesch, 2023 FAZ: Flut in Bangladesch: Wo die Schornsteine aus dem Wasser ragen, 2024 ZEIT: Mindestens 20 tote nach Hochwasser in Bangladesch, 2024 Kategorie: Nachrichten aus Bangladesch zurück