Femnet e.V.

FEMNET - Nachrichten FEMNET-Nachrichten

Frauen, Fashion, Fairness: FEMNET blickt auf Erfolge für Menschenrechte in der Mode

Seit 15 Jahren setzen wir uns für ein selbstbestimmtes und faires Arbeitsumfeld für Frauen in der Textilindustrie sowie für einen gerechten Wandel ein. Im zu Ende gehenden Jubiläumsjahr 2022 haben wir die Gelegenheit genutzt, nicht nur auf viele gelungene Projekte zurückzublicken, sondern unsere Themen noch mehr Menschen zugänglich zu machen.

Der Auftakt hätte nicht besser sein können: der Start ins „kleine“ FEMNET-Jubiläum wurde vom gleichzeitigen Beginn der Jahrespartnerschaft mit der Stadt Bonn begleitet, einem vielversprechenden Zusammenwirken für mehr Beachtung unserer Vereinsziele.

Geschlechtergerechtigkeit, fairer Handel, nachhaltiger Konsum und nicht zuletzt gerechtere Wirtschaftsbeziehungen, basierend auf fairen Löhnen und Umweltstandards, sind die Kernpunkte unserer Arbeit. Diese in die Breite zu tragen und Menschen auch außerhalb sogenannter bubbles zu erreichen, ist uns mehr denn je ein Anliegen. Mit Kooperationspartner*innen wie der Stadt Bonn konnten wir 2022 dieses Ziel kontinuierlich verfolgen.

Dauerhaftes Engagement zeigt Wirkung

Denn rückblickend kann FEMNET auf viele Schritte mit Wirkung stolz sein, die den Weg zu einem Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit, unter Einbeziehung der Betroffenen, weiter ebnen. Mit unseren Partner*innen im globalen Süden haben wir erfolgreich die Themen Gewalt, Gesundheit sowie funktionierende Beschwerdemechanismen adressiert. Durch zahlreiche Aktivitäten, wie z.B. „Breaking-Taboo“-Sessions, Sensibilisierungs-Workshops und Aufbau-Trainings konnten wir tausende Näher*innen, Fabrikmanager und Aufseher*innen erreichen.

Konsequent haben wir uns über Jahre dafür eingesetzt, Aufmerksamkeit für ein verheerendes Ausbeutungssystem in indischen Spinnereien zu schaffen, welches Frauen und junge Mädchen zu modernen Arbeitssklavinnen degradiert hat. Dadurch, ebenso wie durch eine mit Vertreter*innen aus Politik und Unternehmen ins Leben gerufenen Initiative ist es gelungen, in Teilbereichen schrittweise zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie im südindischen Tamil Nadu beizutragen.

Indische Aktivistin zu Gast in Bonn

Strukturaufbau ist ein oftmals langwieriger und nicht immer leicht nachvollziehbarer Prozess, um Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig zu gestalten. Wer, wenn nicht unsere Partnerinnen aus dem Süden, könnten am besten darüber berichten. Ein Höhepunkt in unserem Jubiläumsjahr war daher der Besuch unserer langjährige Weggefährtin Rukmini V. Puttaswamy, die nach Pandemie-bedingten Reisebeschränkungen endlich nach Deutschland kommen konnte. Die Präsidentin der einzigen, Frauen-geführten Gewerkschaft Indiens, war Ehrengast der Jubiläums-Gala von FEMNET und der Stadt Bonn im Alten Rathaus. Mit sehr persönlichen Worten erzählte Rukmini von ihrem Werdegang als Textilarbeiterin, die weder lesen noch schreiben konnte, hin zur engagierten und mit Preisen gewürdigten Aktivistin und leidenschaftlichen Kämpferin für Frauenrechte. Ihre Geschichte macht nicht nur deutlich, was die Forderung nach Transparenz entlang der gesamten Lieferkette und mehr Mitspracherecht für Gewerkschaften konkret für tausende Frauen im globalen Süden bewirken kann. Sie öffnet auch den Blick auf größere Zusammenhänge, wie etwa auf die Bedeutung unserer Kampagnenarbeit.

Durch die Beteiligung an Petitionen wie #yesEUcan für ein wirksames Lieferkettengesetz auf EU-Ebene und der Kampagne #GoodClothesFairPay verschaffen wir den Missständen auf politischer Ebene Gehör und bestehen darauf, dass sich Entscheidungsträger*innen mit den Appellen der Zivilgesellschaft befassen müssen. Erst vor wenigen Tagen feierten wir im Rahmen der #yesEUcan-Kampagne die Übergabe von über 90.000 Unterschriften an Kanzler Scholz: gemeinsam mit mehr als 130 weiteren Organisationen und den Unterzeichnenden haben wir der Forderung nach einem EU-Lieferkettengesetz deutlich Nachdruck verliehen.

Neue Narrative

Geschichten berühren nicht nur, sondern können auch Menschen in Bewegung setzen. Wir haben uns daher in diesem Jahr neuer Narrative bedient, um weiterhin die Aufmerksamkeit auf die prekäre Lage von Frauen in der Textilindustrie und um auf die verheerenden Auswirkungen der schnelllebigen Mode auf Menschen und Umwelt zu lenken. In der Kampagne #eintshirtzumleben haben wir einen symbolischen Dialog entstehen lassen, in dem wir den Näher*innen am Anfang der Lieferkette durch Videobotschaften Raum für ihre persönlichen Geschichten gegeben haben, auf die die Konsument*innen ihrerseits via Social Media reagieren konnten.

Darüber hinaus haben wir uns die Strahlkraft von bildender wie darstellender Kunst zunutze gemacht, um Menschen zu FEMNET zu führen, die sich bisher nicht unbedingt mit den Hintergründen der globalen Modeindustrie auseinandergesetzt haben. Die Zusammenarbeit mit renommierten bildenden Künstler*innen, die mit eigens angefertigten T-Shirt-Kunstwerken ein Zeichen gegen Wegwerfen und für Wertschätzung von Mode und Macher*innen gesetzt haben, hat einen neuen Blick auf den materiellen und ideellen Wert von Kleidung geworfen. Darüber hinaus hat das Bonner Theater Ensembles Fringe eine ebenfalls exklusiv für FEMNET entwickelte Performance aus Sound- und Textcollagen vorgestellt, die Geschichten von und über Näher*innen zu einem Seh- und Hörerlebnis werden ließ, das auf besondere Weise berührte.

Beschaffung setzt auf Nachhaltigkeit

Langjährige Expertise – neue Zielgruppen, in diesem Zeichen stand auch unsere Beratungsarbeit, mit der wir seit sieben Jahren Kommunen und inzwischen auch Unternehmen dabei unterstützen, ihre Einkaufsmacht bei der Beschaffung von Textilien im Sinne der Nachhaltigkeitsziele einzusetzen. Klangvolle Namen des deutschen Spitzensports, wie der Eishockeyclub Adler Mannheim oder der VFL Bochum nahmen erstmalig unsere ganzheitliche Beratungspraxis in Anspruch, bei der wir gründliche Marktrecherchen und Produktanalysen durchführen und ebenso Lieferantenbeziehungen berücksichtigen. Mit dem breiten Knowhow auf dem Gebiet der fairen Textilbeschaffung eröffnet FEMNET der Privatwirtschaft wie der öffentlichen Hand die Chance, sich nicht nur bezüglich Nachhaltigkeitsmanagement und CSR, sondern auch betriebswirtschaftlich zukunftsweisend aufzustellen. Und dass ein nachhaltiges Beschaffungsmanagement inzwischen vielerorts zum neuen Normal geworden ist, daran dürfte auch FEMNET einen nicht unerheblichen Anteil tragen.

Wo Veränderung beginnt

Wissensvermittlung ist und bleibt ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit, denn wer die sozialen und ökologischen Zusammenhänge versteht, den Einfluss von Unternehmen auf Arbeitsbedingungen kennt, oder über die Möglichkeiten zu nachhaltigen Konsum Bescheid weiß, wird Entscheidungen anders fällen. Und das am besten so früh wie möglich. Junge Menschen sollen zu Multiplikator*innen für eine faire Bekleidungsindustrie werden, dieses Ziel verfolgen wir seit vielen Jahren in unseren breit angelegten Bildungsprojekten. Seit diesem Jahr kommt mit der Schwerpunktsetzung Klima noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Aktionen und Workshops für Studierende moderelevanter und wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge, Studierendeninitiativen und Schul-AGs sowie ihre Lehrkräfte, aber auch Berufsschüler*innen, schaffen den Rahmen, Möglichkeiten für das eigene Engagement zu erarbeiten. Der Fundus an Materialien, die FEMNET dafür zur Verfügung stellt, ist inzwischen beachtlich und wurde gerade um zwei umfangreiche Aktionshandbücher für Schulen und Hochschulen erweitert.

Viel erreicht – noch viel zu tun

Unsere Vision hat über die Jahre viele Menschen erreicht, aber ausruhen werden wir uns nicht. Gerade die Frauen sind von den weltweiten Krisen am härtesten betroffen. Die von der Bundesregierung ausgerufene feministische Entwicklungspolitik setzt daher ein wichtiges Zeichen, darf aber nicht als bloßes Schlagwort dienen. Mehr denn je werden wir uns daher auf allen Ebenen für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen und die kritisch-konstruktive Stimme bleiben, die FEMNET seit 15 Jahren war und ist.

Wir danken allen unseren Unterstützer*innen und verabschieden uns in die Winterpause, mit den besten Wünschen für friedliche Festtage und einen guten Start ins neue Jahr!