Frauenrechte sind Menschenrechte Mädchen und Frauen sollten die gleichen Rechte und Chancen in ihrem Leben haben wie Jungen und Männer und ihnen in allem völlig gleichberechtigt sein. Doch in der Realität zeigt sich ein anderes Bild. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben die Vereinten Nationen 1948 eine Resolution verfasst, die den größtmöglichen Schutz aller Menschen gewährleisten soll – und zwar ohne Einschränkung oder wie es in der Erklärung heißt: „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“.[1] Darunter fällt selbstverständlich auch das Verbot der Diskriminierung von als Frauen wahrgenommener Menschen. Benachteiligung kann tödlich sein Doch jeden Tag, überall auf der Welt, erleben Frauen schwerste Verletzungen dieser Menschenrechte: Gewalt in der Familie, vom Partner oder am Arbeitsplatz, Verweigerung sexueller und reproduktiver Rechte, Zwangsverheiratungen, Frauenhandel, Zwangsprostitution, gezielte Abtreibung weiblicher Föten. Einfache Kochstelle in der winzigen Baracke für Näherinnen in Bangladesch © FEMNETDarüber hinaus führt Diskriminierung von Frauen zu ungleichen Lebenschancen: Die weibliche Hälfte der Bevölkerung bekommt weltweit in der Regel weniger Lohn als die männliche. Frauen haben häufig keinen Zugang zu Land, obwohl sie es sind, die es mehrheitlich bewirtschaften. Mädchen können in vielen Ländern weniger oft und lange die Schule besuchen als Frauen. Wenn zu wenig Lebensmittel auf den Tisch kommen, sind es die Frauen und Mädchen, die zuletzt essen. Frauen haben oft keine Mitsprache, wenn in der Familie oder Gemeinde Entscheidungen zu treffen sind, häufig dürfen sie noch nicht einmal über ihren eigenen Körper entscheiden – das Recht auf Familienplanung und freie Wahl des Partners wird vielen verwehrt. Armut ist weltweit eher weiblich: Von den rund 700 Millionen Menschen, die in extremer Armut leben, sind rund 70 Prozent Frauen. Und mit knapp 500 Millionen Menschen gehört die Mehrheit der Analphabeten mit zwei Dritteln ebenfalls zu den Frauen. Die Ursachen liegen in Tradition, religiös begründeten Praktiken, Machtansprüchen aufgrund von wirtschaftlichen Profiten und in allgemeinen strukturellen geschlechtsspezifischen Benachteiligungen. Trauernde Angehörige eines Todesopfers von Rana Plaza. © FEMNETIm Katastrophenfall kann die Benachteiligung von Frauen tödlich sein: Vielfach fehlen ihnen aufgrund von Traditionen die Fähigkeiten, sich selbst zu helfen oder sie sind Gefahren stärker ausgesetzt. Bei der Tsunami-Katastrophe in Asien 2004 kamen bis zu vier Mal mehr Frauen als Männer ums Leben. Auch bei dem Einsturz des Gebäudes Rana Plaza 2013 in Bangladesch mit mehr als 1.100 Toten und rund 2.500 Verletzten waren die Frauen in der Mehrzahl – sie machen mit rund 80 Prozent den Großteil der Beschäftigten in der dortigen Textilindustrie aus. In dieser Branche herrschen Löhne unterhalb des Existenzminimums, Rechtlosigkeit und äußerst schlechte Arbeitsbedingungen vor, eine quasi frauentypische Konstellation. Bei der Versorgung von Krisenopfern wird auf die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen nicht ausreichend Rücksicht genommen, sie sind unverhältnismäßig stark von den verheerenden Folgen betroffen. Sie werden häufiger das Ziel von Überfällen und sexualisierten Übergriffen, werdende Mütter sterben oft bei der Geburt, weil auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen in Flüchtlingslagern keine Rücksicht genommen wird, insbesondere bei der Frage von adäquater Versorgung bei Schwangerschaft und Entbindung. Humanitäre Hilfe vernachlässigt zumeist Maßnahmen, die Frauen wieder zu einen eigenen Lebensunterhalt verhelfen könnten[2], oftmals werden Frauen bereits dadurch benachteiligt, dass die Registrierung in Flüchtlingslagern als Voraussetzung für humanitäre Versorgung nur unter dem Namen des männlichen Haushaltsvorstandes erfolgt. Gleichzeitig sind sie stärker belastet, weil sie üblicherweise die Pflege von Verletzten und Kranken auf sich nehmen, sich um die Kinder kümmern und zumeist für die Lebensmittelversorgung zuständig sind. An der Spitze all dieser Menschenrechtsverletzungen auf Basis von struktureller Diskriminierung steht die direkt ausgeübte Gewalt: Frauen und Mädchen zwischen 15 und 44 Jahren haben ein höheres Risiko, Vergewaltigung und Gewalt in der Familie zu erleben, als Opfer von Verkehrsunfällen und Kriegen zu werden oder an Krebs und Malaria zu erkranken.[3] In Deutschland wird rechnerisch alle 2,5 Tage eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.[4] Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau Formen geschlechtsspezifischer Gewalt: physische Misshandlung wie gewalttätige Übergriffe, Körperverletzung, Mord sexualisierte Gewalt wie Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, Beschimpfungen psychische Gewalt wie Mobbing, Stalking, Nötigung, psychischer Missbrauch, Einschüchterung strukturelle Gewalt wie ökonomische/finanzielle Ausbeutung, Verwehrung des Zugangs zu Bildung 1979 gelang mit der Verabschiedung der sogenannten „Frauenkonvention“ oder CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Verankerung von frauenspezifischen Menschenrechten im Völkerrecht, so unter anderem der Schutz vor männlicher Gewalt und reproduktive Rechte. Das Abkommen gilt als das wichtigste völkerrechtliche Menschenrechtsinstrument für Frauen. Die Unterzeichnerstaaten werden zur rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen verpflichtet, sie müssen dabei selbst den Gleichbehandlungsgrundsatz einhalten sowie in der Gesellschaft aktiv auf die Beseitigung der Diskriminierung hinwirken. Inzwischen zählen 187 Länder zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens.[5] In den 1990er Jahren führte eine Reihe von internationalen Konferenzen dazu, dass verschiedene Problemfelder von Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzungen benannt und Maßnahmen zu ihrer Beendigung gefordert wurden.[6] So gehörte zu den Kernforderungen bei der Aktionsplattform von Peking 1995: die Gewährleistung und Förderung der Menschenrechte von Frauen durch die Regierungen, die Verankerung des Grundsatzes der Gleichberechtigung in der Gesetzgebung, die Änderung diskriminierender Gesetzgebung und der Zugang zu Informationen über Menschenrechte. 20 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking musste festgestellt werden, dass es in vielen Ländern nach wie vor enorme Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realität gibt: geschlechtsdiskriminierende Gesetze, mangelnde Kenntnis des Rechts sowie geschlechtsspezifische Vorurteile bei Polizei, Verwaltung und Justiz sind weiterhin an der Tagesordnung. Eine signifikante Abnahme von schweren Menschenrechtsverletzungen an Frauen wie Genitalverstümmelungen, Vergewaltigungen, Zwangsverheiratungen und sogenannte Ehrenmorde ist zudem nicht erkennbar. Im Rahmen der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 benannten die Vereinten Nation Geschlechtergerechtigkeit zum Ziel 5 von insgesamt 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG). Bei der diskriminierenden Behandlung von Frauen konnten in den letzten Jahren In vielen Ländern der Welt einige Verbesserungen erreicht werden, generell jedoch hat sich in jüngster Zeit weltweit der Zugang der Frauen zu Bildung, Gesundheit und Politik sogar wieder verschlechtert. Bliebe es bei dem derzeitigen Tempo, so das Weltwirtschaftsforum, würde es noch 202 Jahre dauern, bis Frauen und Männer am Arbeitsplatz gleichgestellt sind.[7] Übereinkommen zur Beendigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde 2019 das Übereinkommen 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Beendigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt verabschiedet. Es erklärt, dass „Gewalt und Belästigungen in der Arbeitswelt eine Menschenrechtsverletzung“ darstellen, und somit eine „Bedrohung für die Chancengleichheit, inakzeptabel und mit menschenwürdiger Arbeit unvereinbar“ sind. Den Mitgliedsstaaten der ILO obliegt nun die Ratifizierung, also die Übertragung in die nationale Gesetzgebung. Weltweit haben den Vereinten Nationen zufolge mehr als 800 Millionen Frauen privat oder am Arbeitsplatz sexualisierte oder körperliche Gewalt erfahren. Über ein Drittel der Länder hat keine Gesetze gegen sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz. Das Übereinkommen der ILO bezieht sich dabei nicht nur auf die Gewalt in der Arbeitswelt, es betont darüber hinaus die Verantwortung der Arbeitgeber, Beschäftigte auch vor Gewalt in ihrer Familie zu schützen. Niemand sollte für Mode sterben müssen! © BCWSAuch in der Textilindustrie stehen die Unternehmen bei der Reduzierung von Menschenrechtsverletzungen an Frauen vor großen Herausforderungen, zeigt sich doch, dass beispielsweise die sexualisierte Gewalt in dieser Branche in den Herstellerländern weit verbreitet ist.[8] Je nach Land sind zwischen 60 und 90 Prozent der Beschäftigten Frauen, zumeist sehr jung und ohne weitergehende Bildung. Die Aufsichts- und Führungspositionen sind dagegen in der Regel den Männern vorbehalten, die ihre Machtstellung häufig mit diskriminierenden Handlungen bis hin zu Gewalttaten ausnutzen. FEMNET sieht die internationalen Modeunternehmen in der Verantwortung, die Menschenrechte bei der Arbeit zu achten, die Risiken und Auswirkungen für Frauen zu analysieren, geschlechtsspezifischer Gewalt vorzubeugen und wirksame Beschwerdemechanismen einzurichten. Weiterlesen FEMNETs Feminismusverständnis… FEMNET-Forderungen an Modeunternehmen (PDF-Datei) Quellen [1] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte [2] Care Danmark (o. J.): Women and girls in emergencies [3] World Bank: Gender Datenbank [4] Hilfetelefon: Zahlen zur Partnerschaftsgewalt [5] CEDAW - Frauenrechtskonvention [6] Abschlußerklärung der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 [7] World Economic Forum, Global Gender Gap Report 2018 [8] Studie von Human Rights Watch, Februar 2019, Combating Sexual Harassment in the Garment Industry zurück