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Schuster, gönn dir neue Leisten: Stuttgarts Pilotprojekt für nachhaltige Arbeitsschuhe

Die Zivilgesellschaft forderte schon lange mehr Nachhaltigkeit und auch der Rat und die Verwaltung positionieren sich klar: Stuttgart möchte bei der Verbesserung globaler Lebens- und Arbeitsbedingungen durch die öffentliche Beschaffung eine besondere Vorreiterrolle übernehmen. Die Stadt wollte eben nicht mehr „bei den Leisten“ bleiben und die erhebliche Nachfragemacht von Kommunen bewusst nutzen, um faire Produktionsbedingungen und das Angebot fairer Produkte zu stärken. FEMNET begleitete die Kommune beim erfolgreichen Pilotversuch zur Beschaffung nachhaltiger Arbeits- und Sicherheitsschuhe.

Doch zu Anfang ist das leider meistens erstmal nicht so einfach. Oftmals ist nicht klar, wie z.B. die Einhaltung von Sozialstandards nachweislich gefordert werden kann. Deswegen hat die Stadt FEMNET mit ins Boot geholt. Gemeinsam wurde der gesamte Prozess einer Beschaffung untersucht. Ende 2018 war es dann soweit - in einem Rahmenvertrag für 2 Jahre wurden vom zentralen Einkauf gebündelt für mehrere Ämter bis zu 5.500 Arbeits- und Sicherheitsschuhe für ca. 1.700 Mitarbeiter*innen ausgeschrieben. Und zwar mit der Forderung nach sozialen und ökologischen Kriterien in den Zuschlagskriterien.

Schritt für Schritt: Gemeinsam neue Wege gehen

Nach einer intensiven Marktanalyse wurden ausdifferenzierte Fragebögen zur Nachweisführung sozialer und ökologischer Kriterien entwickelt. In einem Bieterdialog diskutierte man gemeinsam mit den Herstellern, wie die neuen Anforderungen in den Bereichen Arbeitsrechte, Arbeits- und Umweltschutz nachgewiesen werden können.

Auch die Mitarbeiter*innen der Stadt, welche Ende 2018 die neuen Schuhe bekamen, erfuhren, warum es der Stadt wichtig war darauf zu achten, dass nicht nur alle Sicherheits- und Qualitätsstandards hier bei uns stimmen, sondern auch dort, wo die Schuhe produziert werden.

Nachhaltige Unternehmen werden belohnt

In der Ausschreibung wurden neben dem Preis (30%) und der Qualität/Tragetest (50%) auch soziale und ökologische Standards mit 20% bewertet.

Die Strategie ist aufgegangen: die Wertung der ökofairen Kriterien hat in den meisten Fällen den Unterschied gemacht! Somit wurden Hersteller, die sich auf den Weg gemacht haben nachhaltiger zu produzieren belohnt. Dabei stellte sich heraus, dass dies preislich kaum einen Unterschied machte.

Den restlichen Herstellern wurde signalisiert, wohin die Reise demnächst immer gehen soll- hin zu mehr Verantwortungsübernahme und Nachhaltigkeit. Und dass diese Nachricht angekommen ist zeigte sich durch viele Nachfragen von Unternehmen und Händlern.

Durch diese Pilotausschreibung für eine Produktgruppe, für die es noch nicht viele Nachweise gibt, hat gezeigt, dass die geforderten Nachweise für den Markt machbar waren.

Wenn schon, denn schon!

Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt soll jetzt auch ein Grundsatzpapier zur verbindlichen Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen (und weiterer Standards) für die gesamte Stadtverwaltung geschrieben werden. Außerdem möchte die Stadt Stuttgart eine zusätzliche Position schaffen, die für nachhaltige Beschaffung verantwortlich ist.

Als nächstes möchte Stuttgart sich an ein weiteres Produkt wagen, bei dem viele Arbeitsrechtsverletzungen in der Produktionskette bekannt sind: IT. Hierbei können die Erfahrungen aus der vergangenen Ausschreibung genutzt werden- gerade bei komplexen Produkten empfiehlt es sich vorher genau zu recherchieren für welche Stufe in der Produktionskette die Nachweise zur Einhaltung sozialer Kriterien gefordert werden, um Schlupflöcher zu vermeiden. FEMNET wünscht weiterhin viel Erfolg!

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