Nachrichten zu unserer Arbeit - Existenzlohn jetzt! Faire Löhne für Textilarbeiter*innen

Die Bekämpfung von Armut und Klimawandel schließen einander nicht aus

Eine Antwort der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, CCC) auf Karl-Johan Persson, Vorstandsvorsitzender von H&M.

Kürzlich warnte Karl-Johan Persson, Vorstandsvorsitzender von H&M, in einem Interview vor "schrecklichen sozialen Konsequenzen", wenn Verbraucher*innen Fast Fashion angesichts der Klimakrise den Rücken kehren[i]. In seiner verzerrten Logik führe dies zu mehr Armut, da somit Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze in Gefahr seien. Perssons Behauptung, dass die Reduzierung des Konsums die Beseitigung der Armut bedrohe, muss widersprochen werden. Seine Behauptungen sind bestenfalls fehlgeleitet und schlimmstenfalls betrügerisch, da sie die enormen sozialen und ökologischen Folgen der globalen Bekleidungsindustrie nicht anerkennen.

Fordern Sie mit dieser Kampagne Modemarken zum Handeln auf! © Public EyeFordern Sie mit dieser Kampagne Modemarken zum Handeln auf! © Public EyeWir müssen uns nicht zwischen Menschenrechten oder Umweltschutz entscheiden. Vielmehr können wir nicht das eine ohne das andere verbessern. Zu behaupten, Umweltbelange seien eine Bedrohung für die Menschenrechte, ist gefährlich. Das wachsende Bewusstsein der Verbraucher*innen ist zu begrüßen, nicht zu verurteilen.

Fast Fashion trägt zu Armut bei

Die globale Bekleidungsindustrie basiert auf der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in Entwicklungsländern. Es ist die Gier der Unternehmen und nicht die Sorge um die Umwelt, die der Armutsbekämpfung im Wege steht. Sie machen Milliardengewinne mit Mode zu Tiefstpreisen, die nur durch Hungerlöhne, unsichere Arbeitsbedingungen und die Unterdrückung von Gewerkschaften möglich sind.

Während Perssons Privatvermögen bei rund 1,9 Milliarden US-Dollar liegt[ii], beträgt der Durchschnittslohn für eine Textilarbeiterin in Bangladesch, wo H&M zu den größten Einkäufern von Bekleidung zählt, rund 1000 US-Dollar pro Jahr[iii]. Mit anderen Worten, ein Tagesgehalt für eine Arbeiterin, die Kleidung für H&M herstellt, liegt bei 3,64 US-Dollar. Oxfam errechnete, dass ein Firmenchef einer der fünf weltweit führenden Modemarken nur vier Tage benötigt, um das zu verdienen, was eine bangladeschische Textilarbeiterin in ihrem Leben verdienen wird[iv].

Perssons Behauptung, das Fast Fashion Modell trage zur Beseitigung der Armut bei, ist empörend, wenn man bedenkt, dass keiner einzigen Arbeiterin in seinen Zulieferfabriken ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird[v]. Als Reaktion auf das Versäumnis von H&M, sein Versprechen einzuhalten, bis 2018 einen existenzsichernden Lohn zu zahlen, legte die Kampagne für Saubere Kleidung im vergangenen Jahr einen Aktionärsvorschlag vor, wonach die Gewinne 2018 in einen Fonds für existenzsichernde Löhne fließen sollen[vi]. Es überrascht nicht, dass dieser Vorschlag abgelehnt wurde.

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Menschenwürdige Jobs und ein existenzsichernder Lohn sind erforderlich, um die Armut zu beseitigen, und die globale Bekleidungsindustrie bietet dies bislang nicht. Der Mythos, dass die gering bezahlte, arbeitsintensive Bekleidungsproduktion Quelle der Entwicklung ist, ist eine Lüge. Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung, Kohlenstoffemissionen und giftige Chemikalien sowie übermäßige Arbeitszeiten, niedrige Löhne und sexuelle Belästigung sind die Markenzeichen der Bekleidungsindustrie. Was benötigt wird, ist menschenwürdige Arbeit.

Wenn Modemarken einen existenzsichernden Lohn zahlen würden, hätten Arbeiter*innen und ihre Familien nicht nur Zugang zu einem anständigen Leben, sondern könnten als Verbraucher*innen selbst mehr tun, um die Armut zu beenden, als die Ausbreitung einer billigen und qualitativ minderwertigen Bekleidungsproduktion.

"Da ich mich seit über 20 Jahren für die Rechte von Arbeiter*innen einsetze, bin ich nicht mehr leicht zu schockieren, aber mit der Abgebrühtheit und Dreistigkeit dieser Äußerungen hat die Schönfärberei  der Industrie ein völlig neues Niveau erreicht. Wenn H&M wirklich an der Beseitigung der Armut interessiert wäre, müssten sie damit beginnen, den Arbeiter*innen einen anständigen Lohn zu zahlen und nicht so tun, als würde das Wegwerfmodel Fast Fashion den Planeten retten."
Dominique Müller von Labour Behind the Label

Die Klimakrise trifft Textilarbeiter*innen mit am härtesten

FEMNET beim globalen Klimastreik am 20.09.2019. © FEMNETFEMNET beim globalen Klimastreik am 20.09.2019. © FEMNETDie Kämpfe gegen die Klimakrise und gegen die Ausbeutung können nicht gegeneinander ausgetragen werden. Sie sind voneinander abhängig und symbiotisch, und die Auswirkungen beider Krisen treffen die gleichen Menschen am härtesten: Der Klimawandel treibt die Migration in städtische Gebiete voran, wo viele dann ausbeuterische Arbeitsplätze in der Bekleidungsindustrie finden[vii]. Die Vereinten Nationen betonen, dass es gerade die Armen in den Städten des globalen Südens sind, die am anfälligsten für die Auswirkungen der Klimakrise sind[viii].

Wir brauchen Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle radikal verändern, um Arbeiter*innen besser zu bezahlen, Produktion und Ressourcennutzung zu reduzieren und die Wertschöpfungskette neu zu verteilen. Nur wenn Unternehmen sowohl Menschen als auch den Planeten vor den Profit stellen, ist ein Ende der Armut möglich.

 

 

Quellen

[i] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-10-27/h-m-ceo-sees-terrible-fallout-as-consumer-shaming-spreads
[ii] https://www.forbes.com/profile/karl-johan-persson/#16eded0b2b48
[iii]  Auf Grundlage des neuen Mindestlohns von monatlich 8000 Taka: https://wageindicator.org/salary/minimum-wage/bangladesh/archive/minimum-wages-in-bangladesh-with-effect-from-01-12-2018
[iv] https://oi-files-d8-prod.s3.eu-west-2.amazonaws.com/s3fs-public/file_attachments/bp-reward-work-not-wealth-220118-en.pdf
https://www.oxfam.org/en/press-releases/richest-1-percent-bagged-82-percent-wealth-created-last-year-poorest-half-humanity
[v] https://saubere-kleidung.de/wp-content/uploads/2019/09/PublicEye_Report-Firmencheck_D_def-high_web.pdf
[vi] https://turnaroundhm.org/finale/
[vii]
https://www.telegraph.co.uk/global-health/climate-and-people/climate-change-fuelling-migration-crisis-bangladesh/
[viii] http://unhabitat.org/urban-themes/climate-change/

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