FEMNET - Nachrichten FEMNET-Nachrichten © FEMNET Besuch unserer Partner in Indien und Bangladesch: Einsatz für die Rechte von Textilarbeiterinnen Während die FEMNET-Mitarbeiterinnen Johanna Hergt und Daniela Bartsch im November 2024 in Indonesien waren, reisten Dr. Gisela Burckhardt, Luise Tegeler und Sina Marx von FEMNET nach Tamil Nadu, Indien, um sich mit unseren Partnerorganisationen READ (Rights for Education and Development Centre) und TTCU (Tamil Nadu Textile Labour Union) auszutauschen. Im Anschluss an die Reisen nach Indien und Indonesien ging es für alle gemeinsam weiter nach Bangladesch zu unseren dortigen Partnern. Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit READ unterstützen wir Projekte, die Textilarbeiter*innen stärken, damit sie auf Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Arbeitsrechtsverletzungen, reagieren können. Gemeinsam mit TTCU und AFWA (Asia Floor Wage Alliance) arbeiten wir an der Ausweitung des Dindigul Agreements, eines wegweisenden Abkommens zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt in der Textilindustrie. Eindrücke und Erlebnisse dieser Reise haben wir in dieser Bilderstrecke festgehalten. Indien: Rechte erfolgreich einfordern © FEMNET | Luise Tegeler Im Büro der frauengeführten Dalit-Gewerkschaft TTCU trafen wir uns mit dem Senior Management, das uns Einblicke in ihre Herausforderungen und Erfolge im Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken und Spinnereien der Regionen Dindigul, Erode und Tiruppur gab. TTCU organisiert wöchentliche Treffen in verschiedenen Gemeinden Tamil Nadus, bei denen die Mitglieder alltägliche Probleme der Arbeiter*innen besprechen und schnelle Lösungen finden. Zu den häufigsten Anliegen gehören das Vorenthalten von Löhnen, Fragen zu Sozialleistungen sowie geschlechtsspezifische Gewalt, etwa durch Vorgesetzte. Um die Privatsphäre und Sicherheit der TTCU-Mitglieder zu wahren, verzichten wir auf Fotos, die Gesichter zeigen. Die abgebildeten Dokumente auf dem Foto illustrieren jedoch eindrucksvoll die Vielfalt an Fällen, die die Gewerkschaft bereits erfolgreich für ihre Mitglieder lösen konnte. © FEMNET | Luise Tegeler Auch dieses Foto stammt aus dem Büro von TTCU. Auf dem Schreibtisch liegt ein Wälzer zum Thema „Labour and Industrial Law“, der verdeutlicht, wie umfassend die Arbeit der Gewerkschaft ist. Während unseres Besuchs berichteten uns die Mitglieder, wie das Dindigul Agreement einen entscheidenden Beitrag zur Eindämmung geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz leistet. Seit Inkrafttreten des Abkommens ließ sich verbaler Missbrauch beispielsweise stark verringern. Dank der im Rahmen des Agreements bei dem Zulieferer Eastman Exports geschaffenen Strukturen werden auch andere Beschwerden von Arbeiterinnen zügig bearbeitet – darunter Fälle von Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit. Am Abend trafen wir uns mit Mitgliedern der Gewerkschaft in einer Gemeinde. Dabei wurde deutlich, dass TTCU weit über den Arbeitsplatz hinaus aktiv ist: Sie unterstützen ihre Mitglieder auch bei alltäglichen Herausforderungen oder in Fällen häuslicher Gewalt. © FEMNET | Luise Tegeler Bei dem Besuch von FEMNETs Partnerorganisation READ wurde in den Gesprächen für das gemeinsame Projekt auch klar, dass die mangelnde Registrierung zur Sozialversicherung durch die Arbeitgeber für viele Textilarbeiter*innen eines der häufigsten Probleme darstellt. Zudem werden sehr viele Arbeiter*innen nicht direkt von den Fabriken angestellt, sondern sind undokumentiert als Leiharbeiterinnen über Dritte beschäftigt. Auf diese Weise können Arbeiter*innen kaum mit den Fabriken, für die sie arbeiten, in Verbindung gebracht werden, was ihnen die Möglichkeit nimmt, ihre Rechte einzufordern oder gar einzuklagen. © FEMNET | Luise Tegeler Im Büro unserer Partnerorganisation READ trafen wir die Vertreterinnen der frauengeführten und noch jungen Gewerkschaft GAGU (Garment and Gender Workers Union). Mit etwa 2.000 Mitgliedern, von denen 90–95 % Frauen sind, setzt sich GAGU engagiert für die Rechte von Textilarbeiterinnen ein. Um Beschwerden ihrer Mitglieder effektiv anzugehen, arbeitet die Gewerkschaft eng mit dem Labour Department der Regierung in Tamil Nadu zusammen. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es GAGU, Probleme auf Fabrikebene zu lösen und über das Labour Department Zugang zu den Fabriken zu erhalten. Bangladesch: Erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit © FEMNET | Daniela Bartsch Während unseres Treffens mit Vertreter*innen des Bangladesh Center for Worker Solidarity (BCWS) berichteten Kalpona, Kouser und Faisal eindrücklich von den turbulenten und unruhigen Zeiten, die Bangladesch seit dem Regierungssturz im August durchläuft. Sie schilderten, wie diese Veränderungen die Gesellschaft und die Lebensrealität der Menschen sowie auch ihre eigene Arbeit als NGO geprägt haben. Einen detaillierten Bericht zu der aktuellen politischen Situation haben wir bereits veröffentlicht. © FEMNET | Daniela Bartsch Im Büro unserer Partnergewerkschaft (NGWF) National Garment Workers Federation tauschten wir uns zu verschiedenen Aktivitäten der Gewerkschaft aus, die auf eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeiter*innen im Bekleidungssektor in Bangladesch abzielen. Dazu gehört unter anderem die Sensibilisierung für das Employment Insure Scheme (EIS) – ein Projekt, das FEMNET mit Unterstützung der GIZ zusammen mit NGWF, BCWS und weiteren Partnern umsetzt. Während unseres Besuchs hatten wir auch die Gelegenheit, Beneficiaries kennenzulernen, die von Schulungen und Rechtsberatungen im Rahmen unseres Legal Remedies-Projekts profitierten. Dank dieser Unterstützung konnten sie beispielsweise erfolgreich Entschädigungszahlungen durchsetzen. © FEMNET | Daniela Bartsch NGWF organisiert regelmäßig Demonstrationen, bei denen Arbeiter*innen für ihre Rechte einstehen. Dieses Foto zeigt eine Kundgebung, bei der sie unter anderem die Auszahlung ihrer zustehenden Löhne fordern. Häufig werden Gehälter vom Management der Fabriken zurückgehalten – nicht selten unter Verweis auf die Unsicherheiten und Volatilitäten, die durch den jüngsten Regierungsumbruch entstanden sind. Als Teil dieser Demonstration konnten wir hautnah die Entschlossenheit und beeindruckende Solidarität der Arbeiter*innen erleben, die gemeinsam für ihre Rechte eintreten. © FEMNET | Daniela Bartsch In der informellen Wohnsiedlung Korail Basti, einer der größten Slums Dhakas mit über 50.000 Einwohner*innen, besuchten wir zusammen mit Sahil und Rafiq von NGWF Textilarbeiter*innen. Die Siedlung erstreckt sich über rund 36 Hektar und ist von erheblichen Herausforderungen wie starker Verschmutzung geprägt, was das Foto veranschaulicht. Die Arbeiter*innen berichteten uns von der Unterstützung durch NGWF in ihrem Arbeitsleben. Ein Beispiel dafür ist der Erfolg der Gewerkschaft, die nach der unrechtmäßigen Entlassung von 150 Arbeiter*innen finanzielle Entschädigungen erwirken konnte. Dennoch schilderten einige, dass sie immer noch nicht den neu festgelegten Mindestlohn in bestimmten Fabriken ausgezahlt bekommen. Der Besuch zeigte uns die wichtige Rolle, die unsere Partnergewerkschaften wie NGWF bei der Wahrung ihrer Rechte spielen. © FEMNET | Daniela Bartsch Dieses Foto zeigt ein Treffen von Arbeiter*innen und Gewerkschaftsmitgliedern im Büro der BGRWF (Bangladesh Revolutionary Garment Workers Federation) in Narayanganj, Dhaka. Narayanganj ist eines der Zentren der Textilindustrie in Bangladesch, mit rund 1.500 Bekleidungsfabriken und etwa 50 Basisgewerkschaften. BGRWF umfasst fünf registrierte Gewerkschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern aus verschiedenen Fabriken, die durch ihre Mitgliedsbeiträge die Arbeit der Gewerkschaft unterstützen. Organisiert wurde das Treffen von unserer Partnerorganisation BLAST (Bangladesh Legal Aid and Service Trust). Seit Juli 2023 arbeitet FEMNET gemeinsam mit BLAST an einem Projekt zur Entwicklung der Rechtshilfe-App Sromik Jigaysha („Workers’ Queries“). Die App bietet Arbeiter*innen einen einfachen Zugang zu Informationen über ihre Rechte sowie einen niedrigschwelligen Beschwerdekanal, über den sie Unterstützung bei Problemen erhalten können – sei es per Messenger-Dienst, E-Mail oder durch direkten Kontakt zu BLAST. Darüber hinaus organisiert BLAST in verschiedenen Regionen Dhakas wöchentliche Treffen mit Paralegals. Arbeiter*innen haben dort die Möglichkeit, rechtliche Fragen und Probleme anzusprechen und direkt Unterstützung zu erhalten. © FEMNET | Luise Tegeler Mit unseren Partnerorganisationen BILS (Bangladesh Institute of Labour Studies) und ESDO (Environment and Social Development Organization) setzen wir gemeinsam unsere Multi-Akteurs-Partnerschaft in Bangladesch um, die darauf abzielt, Arbeitsbedingungen sowie Umwelt- und Gesundheitsgefahren im Textilsektor zu analysieren und zu verbessern. Ein zentraler Bestandteil der Initiative ist die Datenerhebung direkt von den Rechteinhaber*innen – darunter Textilarbeiter*innen sowie Bewohner*innen der Gemeinden rund um die Fabriken. Die gesammelten Daten geben wertvolle Einblicke in die Herausforderungen vor Ort und helfen dabei, nachhaltige Verbesserungen voranzutreiben. In mehreren Treffen mit BILS, ESDO und weiteren Partnern wie BLF (Bangladesh Labour Foundation) haben wir die nächsten Projektschritte geplant. Besonders im Fokus stand dabei die Datenerhebung, die Ende 2024 wichtige Fortschritte gemacht hat und eine Grundlage für die weiteren Aktivitäten der Initiative bildet. © FEMNET | Daniela Bartsch Dieses Foto zeigt ein Treffen mit Gewerkschaftsmitgliedern und Arbeiter*innen in Ashulia, einem der Sub-Distrikte Dhakas, der stark von der Textilindustrie geprägt ist. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen BILS und ESDO haben wir die Gelegenheit genutzt, uns vor Ort über die Herausforderungen und Bedürfnisse der Arbeiter*innen auszutauschen. Ein Schwerpunkt unserer Multi-Akteurs-Partnerschaft in Bangladesch ist das Worker-based Monitoring. Dabei werden Arbeiter*innen außerhalb der Fabriken zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. Die Gewerkschaften werden von BILS dazu geschult, die Ergebnisse des Monitorings zu nutzen, um in einem faktenbasierten Dialog mit dem Fabrikmanagement nachhaltige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen anzustoßen und die Rechte der Arbeiter*innen gezielt zu stärken. © FEMNET | Daniela Bartsch Risiken für menschenrechtliche Verletzungen und umweltbezogene Schäden sind eng miteinander verknüpft, da sie sich oft gegenseitig bedingen – und müssen deshalb auch zusammenhängend betrachtet werden. Zentral in unserer Multi-Akteurs-Partnerschaft ist daher das Zusammenspiel von Worker- und Community-based Monitoring. Dieses Foto zeigt unseren Besuch in der Community Ghosbag in Ashulia, die in unmittelbarer Nähe zu mehreren Textilfabriken liegt. Die Bewohner*innen leiden stark unter den Umweltverschmutzungen, die aus diesen Fabriken stammen und ihre Lebensgrundlagen gefährden. Die Bewohner*innen berichteten uns eindrücklich von ihren Herausforderungen und äußerten die Hoffnung, dass durch die Multi-Akteurs-Partnerschaft langfristige Verbesserungen ihrer Wohn- und Lebenssituation erreicht werden können. Besonders bewegend war die Schilderung eines Milchbauern aus dem Dorf, der erklärte, dass in den letzten Jahren 32 seiner über 50 Kühe an den Folgen chemikalienverseuchten Abwassers aus den Textilfabriken verstorben sind. Der Verlust seiner Tiere stellt ihn vor existenzielle Probleme und zeigt deutlich, wie eng Umwelt- und Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zusammenhängen. © FEMNET | Luise Tegeler Dieses Foto zeigt den zentralen Kanal in der Gemeinde Ghosbag, dessen Wasser pechschwarz ist und stark nach Chemikalien riecht. Der Anblick und die Gerüche haben uns einmal mehr deutlich gemacht, wie stark die Textilfabriken die Lebensbedingungen der Anwohner*innen beeinträchtigen. Viele Fabriken in der Region nutzen ihre gesetzlich vorgeschriebenen Kläranlagen nicht und leiten das ungefilterte Wasser aus der Produktion direkt in die Umgebung ab. Dies verschmutzt nicht nur den Kanal, sondern auch das Trinkwasser, was erhebliche Risiken für die Gesundheit der Bewohner*innen mit sich bringt. Im Rahmen unserer Multi-Akteurs-Partnerschaft schult unsere Partnerorganisation ESDO die Bewohner*innen der Gemeinden, damit sie Gesundheitsrisiken und Umweltverschmutzungen eigenständig dokumentieren können. Zusätzlich werden Wasser- und Bodenproben sowie Haarproben von Bewohner*innen genommen – viele von ihnen arbeiten auch in den umliegenden Textilfabriken. Diese Ergebnisse werden in Kombination mit den Erkenntnissen aus dem Worker-based Monitoring genutzt, um erfolgreiche Verhandlungen mit den Textilfabriken und lokalen Behörden zu führen und nachhaltige Dialogstrukturen aufzubauen, die langfristig eine Verbesserung der Umwelt- und Lebensbedingungen gewährleisten sollen. © FEMNET | Daniela Bartsch Im Rahmen unserer Reise nach Bangladesch haben wir auch eine Textilfabrik besucht, um uns erneut ein Bild von der Situation vor Ort zu machen und mit dem Fabrikmanagement über ihre Perspektive zu sprechen. Für Fabriken wird es besonders im Hinblick auf die in den letzten Jahren beschlossenen Berichtspflichten, wie dem deutschen Lieferkettengesetz sowie der europäischen CSDDD und CSRD, zunehmend relevanter, die Arbeitsbedingungen und die durch die Produktion entstehenden Verschmutzungen kontinuierlich zu verbessern. Bekleidungsunternehmen erhöhen den Druck auf Fabriken in Bezug auf die Einhaltung von Maßnahmen. Im Rahmen unser Multi-Akteurs-Partnerschaft stellen wir mit den Befragungen im Worker-Based Monitoring sicher, dass Arbeiter*innen in sicheren Räumen außerhalb der Fabriken über ihre tatsächliche Arbeitssituation sprechen können. Diese Befragungen liefern realitätsnähere Ergebnisse als herkömmliche Sozialaudits, die häufig in der Textilindustrie durchgeführt werden. Kategorie: FEMNET-Nachrichten zurück